no_way_out (German Edition)
Antwort nicht gefiel.
»Ich kann nicht freiwillig mit ihr ins Zimmer gegangen sein.« Das Reden fiel mir schwer. Es fühlte sich an, als hätte ich Reißnägel in meinem Rachen. »Ich … Ich wollte nämlich weg. Nur weg.«
»Ach ja?«, fragte sie höhnisch.
»Ja«, antwortete ich heiser.
»Sie lag nackt auf dem Bett. Vielleicht hast du dich entschieden, dir noch ein bisschen Cash für die Reise zu verdienen. Das tun Typen wie du doch, oder?«
Ja, das taten Typen wie ich. Vielleicht hatte ich es sogar an jenem Abend getan und war mit Jakes Lady aufs Zimmer gegangen. Ich konnte es nicht ausschließen.
»Ich wollte nicht mit ihr schlafen.« Die Wörter kamen schmirgelnd aus meinem trockenen Mund.
Edy lachte bitter. »Ich habe euch beobachtet. Für mich sah das nicht so aus.«
»Sie wollte es. Ich nicht.«
»Warum nicht?«
Ich entschied mich für die Wahrheit. »Ihr wart mir zu krank, alle drei.«
»Krank?«, fragte Edy. »Das sagst ausgerechnet du? Ich kann Latein. Fegefeuer. Hölle. Kränker, als sich solche Dinge in den Körper zu ritzen, geht gar nicht.«
Purgatorium . Meine Mutter hatte mich hineingestoßen, als ich sieben Jahre alt gewesen war. Mich und meine kleine Schwester.
»Wer hat dich so zugerichtet?«, fragte Edy. »Ich rede von den Narben. Nicht von den Tätowierungen.«
Wenn du jemandem davon erzählst, verschlingt dich das Feuer.
Ich presste meine Lippen zusammen und versuchte, den schwarzen Mann aus meiner Erinnerung zu drängen. Es gelang mir nicht. Bete!, befahl er. »Ich muss mal«, sagte ich. Oder war es der Junge von damals?
»Das musste ich im Kofferraum auch.«
»Frauen müssen doch andauernd«, hatte Smiley gesagt.
Und kleine Jungs machen sich den Schlafanzug nass.
Ich zerrte an meinen Fesseln. »Kannst du mich …«
»Mach’s selber. Ich hab’s auch selber hinbekommen.«
Edy stand auf und ging. Einfach so. War das eines ihrer Spiele? Ein Test? Die Rache für den Kofferraum? Oder eine falsche Antwort?
Du betest zu wenig , sagte der schwarze Mann. Vielleicht. Vielleicht hatte ich auch einfach zu wenig daran geglaubt, dass es nützen könnte.
Ich kämpfte mich auf die Knie. Weiter hoch kam ich nicht. Mein Bein ließ mich im Stich. Zitternd legte ich mich wieder hin. Mir war kalt und mit jeder Minute wurde mir kälter. Der Druck auf meine Blase stieg und wurde unerträglich.
Gerade als ich darüber nachdachte, es einfach laufen zu lassen, weil der schwarze Mann tot und Edy weg war, kam sie zurück. Schweigend stellte sie meine Tasche und das Erste-Hilfe-Set neben mich und öffnete den Schnürsenkel um meine Handgelenke. Ich rappelte mich hoch, klammerte mich mit einer Hand an die Äste eines Busches und zerrte mit den beinahe tauben Fingern der anderen am Reißverschluss. Verpiss dich, sagte ich in Gedanken zum schwarzen Mann. Ein Lachen drängte an den Reißnägeln in meinem Hals vorbei. Es tat weh und es tat gut.
Nachdem ich meine Hose wieder zu hatte, war Edy immer noch da. Eine dunkle Gestalt, deren zerstochenes Gesicht im Mondlicht gespenstisch aussah. Sie drückte mir Smileys Flasche in die Hand. Gierig trank ich den ganzen Rest, der noch drin war.
»Wenn du meine Mam nicht umgebracht hast, wer war es dann?«, fragte sie.
»Bist du deshalb noch hier?« Das Reden ging jetzt einfacher. Smileys Spezialtrank hatte die Reißnägel weggeschwemmt.
»Wer hat sie umgebracht?«
»Ein Einbrecher?«, sagte ich, ohne wirklich daran zu glauben.
Ihr verächtliches Schnauben zeigte mir, dass sie noch weniger daran glaubte als ich. »Etwas Besseres hast du nicht auf Lager?«
Ich zögerte, bevor ich antwortete. »Jake?«
»Vergiss es!« Die Antwort kam einen Bruchteil zu spät. Edy hatte gezögert, genau wie ich. Kaum merklich, aber da war eine kleine Pause gewesen.
»Ich wollte gehen. Hatte alles gepackt und war auf dem Weg nach draußen. Aber dann hielt mich deine Mam auf und Jake bestand darauf, dass ich zum Essen bleibe. Er füllte mich und deine Mam ab. Wahrscheinlich war in den Getränken was drin, das uns ausgeknockt hat.«
Aus Angst, sie würde mich unterbrechen oder weggehen, bevor ich fertig war, redete ich viel zu schnell, aber Edy unterbrach mich nicht, sie ging auch nicht, sondern setzte sich wieder hin, zog die Beine an und schwieg. Ich suchte in meiner Tasche nach dem zweiten Pullover. Er war noch etwas feucht. Trotzdem streifte ich ihn über und legte mich auf den Rücken, zog die Tasche unter meinen Kopf und schaute zu den Sternen hoch. Sie schaukelten
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