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no_way_out (German Edition)

no_way_out (German Edition)

Titel: no_way_out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
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nur noch leicht.
    Irgendwann, viel später, sagte Edy leise: »Ja, ich habe es richtig gemacht. Dabei wusste ich nicht einmal, dass ich so was kann. Schon gar nicht, wie man es richtig macht. Muss ein Naturtalent sein. Hab’s nämlich besoffen geschafft. So besoffen, dass ich mich danach nicht daran erinnern konnte. Weißt du, was das Irre daran ist? Ich trinke gar nicht.«
    Hatte sie mir eben zu verstehen gegeben, sie hätte sich ihre Handgelenke gar nicht aufschlitzen wollen? Smiley kannte dafür bestimmt einen Fachausdruck, irgendein tolles Wort für Verdrängen und Nicht-Wahrhaben-wollen und den ganzen Rest. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und suchte nach Worten. Ich fand keine.
    »Und du?«, fragte Edy. »Was für eine Ausrede hast du?«
    Ich fuhr mit meinem Finger über die Narbe an meinem Handgelenk. Meine Hände waren frei. Ich konnte gehen, wohin ich wollte. Eigentlich. Das Problem war: Es war Nacht, zwischen mir und dem Weg in die Freiheit lag ein Fluss, ich konnte nicht schwimmen und ich war völlig kaputt. Also blieb ich neben Edy liegen, verdrängte ihre Frage und wartete auf die volle Wirkung von Smileys Spezialtrank, doch diesmal brachte sie nichts Beruhigendes. Die Dunkelheit um mich herum ängstigte mich mit tausend Geräuschen, die ich nicht zuordnen konnte. Hellwach, mit bis zum Anschlag angespannten Nerven lag ich da und dachte nach. Über Edy mit ihren giftigen Worten, ihrer Verachtung für Typen wie mich und über die weißen Linien an unseren Handgelenken. Edy war zwei Personen in einer. Die eine brachte mich dazu, schreckliche Dinge zu sagen und zu tun. Die andere ging mir auf eine Art unter die Haut, die mir Angst machte.
    »Es kann nicht Jake gewesen sein«, flüsterte Edy.
    Darüber wollte ich nicht nachdenken. Denn wenn es nicht Jake gewesen war, blieb wieder nur noch ich übrig. Ich fror mich durch die Nacht, bis die Müdigkeit stärker wurde als der Hunger, die Kälte und die Angst und ich einschlief.

 
    Bund für eine tatkräftige Nation @BtN
    Die wachsende Jugendkriminalität ist ein Fakt. Genauso Fakt ist, dass diese Kriminellen immer brutaler werden.
     
     
     
    Am nächsten Morgen war Edy weg und ich wusste nicht, ob ich all das irre Zeug nur geträumt hatte. Ein Blick auf meine Handgelenke gab mir die Antwort. Sie waren aufgescheuert und dort, wo ich normalerweise mein Lederband trug, war nichts mehr. Ich blieb an den Buchstaben über der Narbe hängen. I’m in hell . Meine erste Tätowierung. Selber gemacht. Eingeritzt in meine Haut. Sie hatte nichts Cooles, nichts Schönes. Sie war so hässlich wie der Grund, weshalb sie dort war.
    Keine Ausrede. Ich war voll da gewesen, als ich es getan hatte. Aber nicht einmal das hatte ich hinbekommen, denn ich wusste damals noch nicht, wie es ging. Ich hatte quer geschnitten.
    Meine Tasche war verschwunden, genau wie das Erste-Hilfe-Set. In meinem rechten Stiefel fehlte der Schnürsenkel. Ich fand ihn ein paar Meter von der Stelle, an der ich aufgewacht war, und fädelte ihn ein. Die ganze Zeit klebte die Angst wie ein klammer Waschlappen an meinem Nacken. Diesmal nicht wegen der Geräusche, die bei Tageslicht viel weniger beunruhigend waren, sondern wegen Edy. Selbst wenn sie letzte Nacht noch hier gewesen war, war sie längst über alle Berge. Nicht mehr lange, und Jakes Männer oder die Bullen tauchten hier auf.
    Meine Fluchtmöglichkeiten waren begrenzt. Auf der einen Seite der Fluss, den ich nicht durchqueren konnte, auf der anderen Seite dichter Wald. Hinten in der Schlucht unüberwindbare Felsen. Ich entschied mich für den Wald, die einzige Möglichkeit, an der ich nicht von vornherein scheiterte.
    Das Aufstehen und die ersten Schritte fielen mir schwer. Ziemlich orientierungslos wankte ich durch die Büsche. In meinem Kopf hörte ich Stimmen. Vertraute Stimmen.
    »Schlechte Nacht gehabt?«, rief Smiley kriminell fröhlich. Nicht in meinem Kopf, sondern vom Flussufer herüber. Was ich sah, konnte einfach nicht sein! Er und Edy saßen auf einem angeschwemmten Baumstamm und breiteten Esswaren aus. Was glaubten die beiden? Dass dies hier ein verdammter Picknickplatz war, eine kuschelig wohlige Sicherheitszone, in die das Böse nicht eindringen konnte?
    »Mick!« Jetzt winkte Smiley auch noch. Wie ein Tourist in einer Ferienkulisse. »Edy und ich machen Frühstück. Willst du auch?« Er stand auf und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Er meinte es gut, so, wie er es immer gut meinte, aber ich war total fertig, ich

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