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no_way_out (German Edition)

no_way_out (German Edition)

Titel: no_way_out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
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So tief, dass der Kerl irgendwann aufgab, es zu suchen, und weiterzog.
    Alle denken immer, Mütter haben einen Mutterinstinkt, der sie ihre Kinder lieben lässt. Das stimmt nicht. Es gibt Mütter, denen sind ihre Kinder genauso egal wie den Vätern, die sich aus dem Staub machen und nie wieder zurückschauen. Wir hatten so eine Mutter. Wahrscheinlich hatten wir einfach Pech. Der schwarze Mann sah das anders. Für ihn war das eine Prüfung Gottes.
    »Warum denkst du, dass du Sina losgelassen hast?«, wollte Smiley wissen.
    »Weil ich sie losgelassen habe«, fuhr ich ihn an. »Ich denke das nicht, ich habe es getan.«
    »Wie?«
    Nicht. Nicht diese Frage. Nicht dieser Abgrund. Ich presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Mein Kinn zitterte.
    »Schon gut«, sagte Smiley leise. »Ist sie noch dort?«
    Wo? Dort unten, in der Tiefe?
    »Nein.«
    »Wo dann?«
    Erst jetzt begriff ich, dass Smiley nicht die Tiefe meinte, sondern den schwarzen Mann.
    »Weiß nicht. Ich kam ins Heim, nachdem ich sie losgelassen hatte. Da war ich elf. Sie sagten, ich dürfe keinen Kontakt mehr zu ihr haben.«
    »Hast du sie gesucht?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Smiley, der Therapeut. Ich hätte ihm vom Unfall erzählen sollen, von den Schuldgefühlen, die mich fertigmachten, davon, dass ich meine Schwester nicht nur losgelassen, sondern auch allein beim schwarzen Mann zurückgelassen hatte. Aber ich schaffte es nicht. Es ging einfach nicht.
    Smileys Sensoren funktionierten. Er fragte nicht weiter nach, sondern wollte wissen, was in der Hütte passiert war. Alles brachte ich nicht mehr auf die Reihe. Dazu war es viel zu schnell gegangen. Ich wusste noch, dass ich gekämpft hatte und dass ich gedacht hatte, es hätte mich getroffen und nicht Edy. Und ich erinnerte mich an das viele Blut. Edys Blut.
    »Warum hattest du ein Messer in der Hand, als ich in die Hütte kam?«, fragte er.
    »Hab mich gewehrt.«
    »Aber dir war doch das Messer aus der Hand geschlagen worden, oder nicht?«
    »Ich … Ich hatte zwei. Messer, meine ich.«
    »Mick! Die haben sich auf dich gestürzt und dich auf den Boden gedrückt. Die hätten dir das zweite Messer auch weggenommen.«
    Eine Erinnerung kam zurück. Einer der Typen war auf mein Handgelenk getreten. Bis meine Finger nicht mehr konnten und ich das Messer losließ. Warum hatte ich dann eins in der Hand gehabt, als Smiley und die Frau kamen?
    »Etwas Glitschiges«, stieß ich hervor. »Einer hat mir etwas in die Hand gedrückt.«
    »Das Messer«, flüsterte Smiley. »Das Messer, mit dem er auf Edy eingestochen hat. Oh, Mann. Da sind jetzt deine Fingerabdrücke drauf.«
    Es gibt diese Träume, in denen man den Boden unter den Füßen verliert und abstürzt. Der nächste Boden bremst einen ab, aber er fängt einen nicht auf, sondern gibt nach, und so fällt man von einem Boden zum nächsten, immer tiefer. Ich war mittlerweile so tief unten, dass jeder Boden der letzte sein konnte. Der endgültige. Jener, auf dem man zerschellt. Nur war es kein Traum.
    Smiley versuchte, mir Mut zu machen.
    »Verena hat Edy nicht sterben lassen. Und vielleicht hat sie das Messer versteckt. Die ist ziemlich clever, die Verena.«
    Ich wollte daran glauben. Daran, dass Edy nicht sterben würde. Und dass diese Verena das Messer versteckt hatte.
    »Edy ist eine Kämpferin«, sagte ich.
    »Ja, das ist sie.« Smiley klang andächtig, als sei Edy schon tot, und mir zitterte wieder das Kinn.
    »Erzählst du mir jetzt was?«, bat ich. Bitte, füll mir den Kopf, dachte ich, füll ihn mir, bis ganz oben, bis er so voll ist, dass für die Angst kein Platz bleibt.
    Smiley erhörte mein stummes Flehen und legte los. Er erzählte mir von Verena, einer ziemlich schrägen Biobäuerin, von ihrem genialen Apfelkuchen, ihrem Holundersirup, von ihren Heilkräften. Von seinem Großvater, dem verrückten Erfinder, der in einer Hütte am Fluss gelebt hatte, der Hütte, in der Smiley jetzt lebte. Von seiner Mutter, der Träumerin, die in die Welt gezogen war, um zu singen und zu tanzen, von den Postkarten, die sie ihm geschickt hatte, bis hin zu dem Tag, an dem ein übermüdeter Vertreter für Pumpsysteme sie übersehen und überfahren hatte.
    »Woher weißt du, dass es ein Vertreter für Pumpsysteme war?«, fragte ich.
    »Weil er mir jedes Jahr zu ihrem Todestag einen Brief schreibt. Und weil er für mich ein Bankkonto angelegt hat. Gar kein so übler Kerl.«
    Smiley legte den Finger auf den Mund. Bis auf das Rauschen des Flusses wurde es ruhig

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