Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
vorbildlichen Verhältnissen.«
Abgesehen davon, dass sie meine Welt komplett auf den Kopf stellten und mich noch mehr verwirrten …: »Wieso erzählen Sie mir das?« Und warum hatte es mir meine Mom nicht selbst erzählt?
Joe zuckte mit den Achseln. »Damit du weißt, dass du noch lebende Verwandte hast, falls es dich irgendwann mal interessiert. Und damit du weißt, dass wir zwei Jahre mit Auseinandersetzungen und Verhandlungen zugebracht haben, um deine Brüder vor einem Ort zu bewahren, von dem deine Mutter weggelaufen ist. Diesen Kampf haben wir gewonnen, nur um jetzt unserer größten Herausforderung zu begegnen: dir.«
Gerade als ich das Gefühl hatte, dass mein Leben nicht mehr beschissener werden konnte, schaffte Joe es, mir das Gegenteil zu beweisen. Er stand auf und sah mich nachdenklich an – genauso wie Isaiah, wenn er überlegte, ob er mir seine Meinung servieren konnte. »Es war falsch, wie wir mit dir und der Situation umgegangen sind. Zu unserer Verteidigung muss ich sagen, dass du dich gerade mit deinem Pflegevater geprügelt hattest, als wir deine Brüder zu uns nahmen. Die Jugendfürsorge hatte dich als psychisch labil eingestuft, und wir haben uns Sorgen gemacht, du könntest einen schlechten Einfluss auf deine Brüder haben, vor allem, als wir mitbekamen, dass du von einer Pflegefamilie zur nächsten geschickt wurdest. Zunächst haben wir die Jungen einfach von dir ferngehalten, weil wir sie schützen wollten.«
»Und nachdem die Fürsorge festgestellt hatte, dass nicht ich das Problem war?«
»Da haben wir es mit der Angst bekommen.« Er schaute mich eine Sekunde lang an und fuhr fort: »Als wir hörten, dass du deine Brüder adoptieren willst, habe ich Leute auf dich angesetzt, um Informationen zu bekommen, die wir vor Gericht gegen dich verwenden könnten.«
Joe kam näher und stützte sich mit einem Arm am Bettpfosten ab. »Was du in deinen vorherigen Pflegefamilien getan hast, um diesen Kindern zu helfen, verdient jeden Respekt, und was dir zugestoßen ist, ist tragisch. Noah, ich und meine Frau haben dir unrecht getan, aber wir wussten nicht, wie wir das, was wir angefangen hatten, stoppen sollten, ohne dadurch unsere Chancen zu vermindern, deine Brüder behalten zu können.«
Ich wusste auf einmal nicht mehr, was ich denken sollte. Joe und ich hatten die vergangenen zwei Jahre damit verbracht, uns gegenseitig an die Kehle zu gehen, und auf einmal schwenkten sie dank einer einzigen Zufallsbegegnung die weiße Fahne? Er kratzte sich erneut am Kopf. Offenbar war er sich genauso unsicher, was er jetzt denken sollte, wie ich.
Er fuhr fort: »So, wie ich das sehe, hast du drei Möglichkeiten. Du kannst hier rausgehen und den Streit um deine Brüder fortsetzen, und vielleicht gewinnst du sogar und deine Brüder verlieren ihre Freunde, ihre Schule, dieses Zuhause und uns. Oder du verlierst den Kampf, und am Ende siehst du deine Brüder nur noch auf der Basis eines Besuchsrechts, das dir das Gericht einräumt, wenn überhaupt. Oder du ziehst deinen Adoptionsantrag zurück. Lässt uns deine Brüder adoptieren und aufziehen wie unsere eigenen Kinder, denn genauso sehen wir sie längst. Aber damit wirst du auch ein Teil dieser Familie. Du kannst sie besuchen, wann immer du willst, mit ihnen telefonieren, bei Schulveranstaltungen mit dabei sein, bei Basketballspielen. Verdammt, komm einmal die Woche zum Abendessen zu uns.«
»Warum?«, fragte ich ihn.
Er schaute mich verdutzt an. »Warum was?«
»Warum bieten Sie mir diese dritte Möglichkeit an?« Sie hatten sich darauf eingeschossen, mich zu hassen. Warum jetzt auf einmal so großzügig?
»Weil sie dich lieben, Noah, und weil wir sie lieben. Ich will nicht in zehn Jahren meinen Söhnen erklären müssen, dass ich aus Angst und Stolz den einzigen Verwandten von ihnen ferngehalten habe, dem wirklich etwas an ihnen lag.«
»Ich traue Ihnen nicht«, sagte ich. Weil Erwachsene immer logen.
Joe sah mir geradewegs in die Augen. »Mein Anwalt setzt es auf.«
Ich hatte genug gehört, und ich brauchte frische Luft. Es waren so viel neue Informationen, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Ich ließ ihn stehen und suchte meine Brüder. Carrie stand im Flur, sie hatte einen Plüschbären an sich gedrückt. Jahrelang hatte ich in ihr nur die hasserfüllte, gemeine Zicke gesehen, die mir meine Brüder vorenthielt. Dank Joes kleiner Ansprache von eben konnte ich das nicht mehr. Ich sah eine zerbrechliche Frau, für die ich das Hindernis zur
Weitere Kostenlose Bücher