Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
mehr, und mein Kopf schaukelte vor und zurück. »Das heißt, du hättest dich seit Februar bei mir melden können und hast es nicht getan?«
Sie zögerte. »Ja.«
»Warum?« War ich so wenig liebenswert? War es nicht das Normalste von der Welt, dass Mütter ihre Töchter sehen wollten? Zumal wenn die Tochter um Hilfe bat? Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte, und so schlang ich zitternd die Arme um mich. »Warum?« Diesmal schrie ich.
»Weil eben.« Mom stand auf und hob die Hände in die Höhe. »Weil ich wusste, dass du so reagieren würdest. Ich wusste, du würdest wissen wollen, was passiert ist, und ich kann es dir nicht sagen.«
»Warum nicht?«
»Weil du mir Vorwürfe machen wirst, und ich kann nicht noch mehr Schuld auf mich nehmen. Es war nicht mein Fehler, Echo, und ich werde mir von dir keine Schuldgefühle einreden lassen.«
Ich kam mir vor, als ob mich ein Truck rammte, und meine Schultern bebten von der Wucht des Aufpralls. Was für eine unglaublich egoistische Antwort. »Du weißt nicht, wie ich reagiere. Ich finde es nicht toll, dass du deine Medikamente abgesetzt hast, aber ich verstehe sehr wohl, dass du nicht gewusst hast, was du tust. Und dass du an dem Abend nicht bei Sinnen warst.«
Sie stieß einen lauten Seufzer aus, der über den leeren Friedhof hallte. »Und ob ich weiß, wie du reagierst, Echo. Ich habe es dir vorhin schon gesagt, du und ich, wir sind genau gleich. Wenn wir einmal verraten wurden, dann verzeihen wir nie mehr.«
Die schwarze Schlacke, die durch meine Adern rann, seit ich erfahren hatte, welche Rolle mein Vater an jenem Abend gespielt hatte, setzte sich langsam in Bewegung. Eine Eiseskälte erfasste mich von innen heraus. »Ich bin nicht so.«
»Nein? Und was ist mit dem blonden Dummchen, das dein Vater geheiratet hat? Du hast sie mal geliebt.«
Ich war nicht sie. Ich war nicht meine Mutter. Ich blinzelte und starrte Aires’ Grabstein an. Halb hoffte ich, er würde mir sagen, dass sie unrecht hatte. Was bedeutete das alles? Was sagte es über mich? Und Ashley? Und meinen Vater?
»Reden wir nicht über schlimme Dinge«, sagte sie. »Ich nehme seit zwei Jahren meine Medikamente, ohne Unterbrechung. Außerdem bin ich hergekommen, um etwas über die Gegenwart zu erfahren, nicht um Vergangenes aufzuwärmen. Ich habe einen tollen Job und ein schönes Loft. Echo? Echo, wo willst du hin?«
Ich warf einen Blick zurück über meine Schulter auf die Frau, die mich geboren hatte. Sie hatte nicht ein einziges Mal gesagt, dass es ihr leidtat. »Nach Hause.«
[zurück]
Noah
Am Brunnen meiner Eltern plätscherte das Wasser. Vom Spielplatz hinter den Häusern drang Kindergeschrei und -gelächter herüber. Frank hatte mir den Tag freigegeben. Ich brauchte keinen Tag frei. Ich brauchte Arbeit. Ich brauchte Geld. Und was ich als Allerletztes brauchte, war zu viel freie Zeit.
Ich musste daran denken, wie ich Echo hierhergebracht hatte. Um sie zu beeindrucken, oder um sie zu verführen, oder vielleicht auch, um mir selbst zu beweisen, dass ich es wert war, geliebt zu werden. Wer weiß, für irgendwas würde es schon gut gewesen sein.
Seit Dienstag schlug ich mich mit einer einzigen Frage herum: Wie konnte ich ihr helfen? Aber mir fiel einfach nichts ein. So viel zu den Problemlösefähigkeiten, die Mrs Collins so hartnäckig in mir zu sehen glaubte.
»Noah!«
Mein Herz krampfte sich zusammen, während ich entgeistert den Kopf herumriss: Das war Jacobs Stimme. Im nächsten Moment wurde ich auch schon fast von dem kleinen Blondschopf umgerannt, und er schlang die Arme um mich. »Noah! Noah! Du bist es! Du bist es wirklich!«
Ich umarmte ihn, während meine Augen die Umgebung absuchten. Joe kam mit hängenden Schultern und die Hände in den Hosentaschen langsam über die Straße. Carrie hielt einen zerrenden Tyler an der Hand – die andere Hand hatte er zu mir hergestreckt.
»Noah«, sagte Joe.
»Joe.«
Jacob drehte sich zu Joe um, jedoch ohne mich loszulassen. »Das hast du geplant, stimmt’s?« Er schaute aufgeregt zu mir hoch. »Er macht ständig solche Sachen. Er sagt, dass wir zum Einkaufen fahren, und dann machen wir was ganz Tolles und gehen Eis essen oder so. Und diesmal hat er gesagt, wir fahren zum Brunnen, und jetzt hat er uns zu dir gebracht.«
Das Vertrauen und die Liebe, die aus Jacobs Worten sprachen, zerrissen mir das Herz.
»Stimmt’s, Dad?«
Ich zuckte zusammen und drückte Jacob fester an mich.
Dad
.
Joe zog die Brauen zusammen. »Jacob, ich
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