Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
mehr oder weniger geduldig. Telefone klingelten, und gedämpfte Stimmen drangen aus den Büros. Wie bei allem im Leben galt: Wenn etwas kostenlos war, bedeutete das automatisch auch »langsam«. Mrs Collins steckte ihren Blackberry weg, auf dem sie ihre E-Mails gecheckt hatte, und schaute mich an. Ich hätte mir denken können, dass der Spaß irgendwann vorbei sein würde.
»Warum sagst du mir jetzt nicht einfach, weshalb du hier bist?«
Ich beugte mich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »So schlau, wie Sie sind, haben Sie sich das doch bestimmt längst zusammengereimt.«
»Ja, aber ich würde es lieber von dir hören.«
Ich rieb die Hände aneinander und überlegte, ob ich es ihr erzählen sollte. Wenn ihr Mann hier arbeitete, würde sie es sowieso über kurz oder lang herausfinden, aber irgendwie fühlte es sich an, als ob ich sie in meine Privatsphäre eindringen ließe, wenn ich es ihr selbst erzählte. Die Frage lautete: Traute ich ihr genug, um das zu riskieren? »Ich will das Sorgerecht für meine Brüder, sobald ich achtzehn bin und meinen Abschluss habe. Ich brauche jemanden, der mir sagt, wie ich das anpacken muss.«
»Noah …«, hob sie an, unterbrach sich dann aber wieder. Eine bleierne Stille entstand zwischen uns. »Hast du irgendeine Vorstellung davon, was es heißt, ein fünf- und achtjähriges Kind aufzuziehen?«
Schlimmer als mein jetziges Leben konnte es auch nicht sein. »Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, was es heißt, ohne sie zu leben?«
»Ich arbeite mit Keesha zusammen daran, dass du eine erweiterte Besuchserlaubnis bekommst.«
Mein Kiefer zuckte, und ich musste mich zusammenreißen, nicht loszubrüllen. »Ich will keine erweiterte Besuchserlaubnis. Ich will, dass meine Familie wieder zusammen ist.«
»Das Sorgerecht für deine Brüder zu bekommen, bringt dir deine Eltern nicht zurück.«
Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb. Ich riss den Kopf hoch, um sie anzusehen. »Glauben Sie vielleicht, das wüsste ich nicht? Glauben Sie, ich hätte nicht die letzten zweieinhalb Jahre damit zugebracht, mir klarzumachen, dass mein Leben nie wieder wie früher sein wird?«
»Genau«, sagte sie. »Es wird nie wieder wie früher sein. Du wirst nicht ihr Bruder sein, sondern ihr Vater. Das ist ein Riesenunterschied … Hast du das wirklich mal ganz bis zu Ende durchgedacht? Was für eine Art Job kannst du denn bekommen, direkt nach der Highschool? Wie willst du es schaffen, für sie und dich selbst zu sorgen? Es gibt Programme, die dazu da sind,
dir
zu helfen, Noah. Dir. Weil du unter Vormundschaft des Staates stehst, bezahlt der Staat dir die Collegegebühren. Überleg dir mal, was für ein Leben du dir aufbauen kannst. Überleg dir mal, wie deine Zukunft aussehen könnte.«
Eine Frau mit glatt nach hinten gekämmten braunen Haaren und im dunkelblauen Hosenanzug trat höflich lächelnd zu uns. »Noah Hutchins?«
Das war aber auch Zeit, verdammt
. Ich stand auf und schaute Mrs Collins finster an. »Meine Brüder sind meine Zukunft.«
»Deinen Brüdern geht es gut.« Ihr Blick hatte fast etwas Flehendes. »Ehrenwort, es geht ihnen gut.«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, die Stimme in meinem Hirn zu ignorieren, die mir einzuflüstern versuchte, dass Mrs Collins die eine Ausnahme unter allen Erwachsenen war und mich nicht anlog. Tylers verschwollenes Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf. Ihr zu vertrauen würde bedeuten, meinen Brüdern den Rücken zu kehren, und das würde ich niemals tun.
Ich musste nur bei meinem Plan bleiben: mich zu meiner rechtlichen Situation beraten lassen, die Schule sauber durchziehen, einen einigermaßen bezahlten Job finden, bevor ich meinen Abschluss hatte, und beweisen, dass Carrie und Joe schlechte Eltern waren. Und für Letzteres brauchte ich einen Blick in meine Akte.
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Echo
»Es funktioniert, keine Sorge«, zwitscherte mir Noah ins Ohr.
Wir waren seit einer Stunde mit Lernen fertig, allerdings nur, weil ich so stur darauf bestanden hatte. Ich saß auf Noahs Schoß im Beifahrersitz von Aires’ Corvette, während Isaiah über der offenen Motorhaube schwitzte. Noah erklärte mir seinen neuesten Plan, wie wir an unsere Akten kommen wollten, während er mich mit Streicheln und Küssen bis an den Rand des Wahnsinns trieb. Sein dämlicher Plan hatte haufenweise Löcher, aber seine Zärtlichkeiten vernebelten mir das Gehirn und hinderten mich daran, meine Bedenken zu äußern. Bis jetzt.
»Glaubst du wirklich, dass
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