Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
Mrs Collins versicherte mir immer wieder, dass sie dabei sein und alles beobachten würde und dass mir nichts passieren könne – dass mein Verstand nicht noch einmal auseinanderbrechen würde.
Bis jetzt hatte sie eigentlich immer mit allem recht gehabt, aber … Ich flüsterte so leise, dass es nur Noah hören konnte: »Und wenn Dad nun recht behält? Wenn ich die Wahrheit nicht verkrafte?«
»Baby, mit deiner Kraft und Zähigkeit könntest du Drogendealer in die Knie zwingen. Alles wird gut gehen.«
Ich wünschte mir, ich hätte Noahs Zuversicht und seinen Glauben an mich. Nichts brachte ihn je aus der Ruhe, und aus irgendeinem Grund war er überzeugt, ich könnte Berge versetzen. Irgendwann einmal würde er eine große Enttäuschung erleben, wenn er nämlich sah, was ich wirklich war – ein schwaches, jämmerliches Geschöpf.
»Wo bleibt dein Dad?«, fragte Noah. »Normalerweise ist er um die Zeit zu Hause.« Seit mein Vater mitbekommen hatte, dass Noah und Isaiah jeden Montagnachmittag bei uns in der Garage verbrachten, versuchte er, so früh wie nur irgend möglich von der Arbeit nach Hause zu kommen. Er mochte akzeptiert haben, dass Noah mein Freund war, aber allein lassen wollte er mich mit ihm noch lange nicht.
Mein Fuß wippte nervös. Dads seltsames Verhalten nahm allmählich groteske Züge an. »Der Neon hat es nicht durch die Generalinspektion geschafft. Er holt heute mein neues gebrauchtes Auto ab.«
Ich bemerkte, dass Beth mich feindselig beobachtete und meiner Unterhaltung mit Noah lauschte. Wir redeten offen vor ihr und Isaiah, allerdings nie direkt über meine Probleme. Noah betrachtete die beiden als Familie und vertraute ihnen. Ich vertraute Noah und mochte Isaiah. Beth tolerierte ich nur.
»Beim Sport war es heute echt lustig.« Beth verzog das Gesicht zu einem gemeinen Grinsen. Sie sagte eigentlich kaum je etwas direkt zu mir. Noahs Flugsaurier fingen an, an meiner Magenschleimhaut zu nagen.
»Ach ja?«, sagte ich. In Wirklichkeit meinte ich:
Könntest du mich bitte einfach weiterhin ignorieren?
»Hab deiner Freundin mit den Cheerleader-Ambitionen, Grace, zuhören dürfen, wie sie über dich ablästerte. War tatsächlich das erste Mal, dass sie was gesagt hat, was mich zum Lachen brachte.«
Beths Worte bestätigten, was ich im Grunde meines Herzens schon wusste: Die Tatsache, dass ich mit Noah ging und keinen Hehl daraus machte, hatte Grace den Rest gegeben und das, was von unserer Freundschaft noch übrig war, endgültig zerstört. Wenn Beth die Absicht gehabt hatte, mich wie einen Fisch aufzuschlitzen, dann hatte sie ihr Ziel erreicht. Mir war so übel wie an dem Abend, als Luke mich mit voller Wucht in den Bauch rammte.
Noah stieß sich vom Türpfosten ab und ging mit raschen Schritten auf Beth zu. »Verdammt noch mal, Beth, was hast du eigentlich für ein Problem?«
»Ich
? Du bist es doch, der mit Miss Crazy abhängt.« Beth sprang von der Werkbank und stieß dabei ein Glas mit Dichtungsringen um. Es rollte auf den Rand zu.
»Das Glas, Beth!«, schrie ich.
Sie streckte die Hand danach aus, doch ihre Finger griffen ins Leere. Das Glas rollte über den Rand der Werkbank und zerschellte auf dem Boden. Das Geräusch von splitterndem Glas hallte in meinem Kopf wider. Bilder flackerten auf, und das schwarze Loch in meinem Gehirn wuchs und fing an zu rotieren. Ein verschwommenes Bild drängte sich nach vorn, während spitze Nägel wie von Hämmern in meinen Schädel getrieben wurden.
Ich lag auf dem beigen Teppichboden im Wohnzimmer meiner Mutter. Um mich herum farbige Glasscherben und Blut. Unmengen von Blut. Meine Arme brannten von messerscharfen Schnitten. Ich drehte mich herum, um zu fliehen, doch etwas Scharfes schlitzte mir den Rücken auf und ließ mich vor Schmerz aufschreien.
Meine Augen fixierten die Wohnungstür. Ich musste es bis dorthin schaffen. Ich musste hier raus. Die Schmerzen beiseiteschieben, die Angst. Ich rollte mich auf die Seite, schrie, als Glasscherben sich in meine Knie und Arme bohrten. Das Glas knirschte unter mir. Jede größere Scherbe, die in meiner Haut steckte, brannte wie glühende Kohlen, und jeder winzige Splitter schlitzte mir die Haut auf. Ich kroch auf allen vieren voran, jeder Augenblick tonnenschwere Erschöpfung, mein Verstand verschwommen, Übelkeit in meinen Eingeweiden. Oh Gott, wo war er bloß? Er wollte doch kommen. Oh Gott, bitte, Daddy, bitte, komm.
»Echo!«
Ich blinzelte heftig und fand mich auf dem Boden der Garage wieder,
Weitere Kostenlose Bücher