Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
Hände-weg-Versprechen heute Abend auslaufen würde. Bis jetzt war der zweite Anlauf zu einer Beziehung mit Luke ein ziemlicher Reinfall.
Luke stützte die Hände in die Hüften. »Gott sei Dank waren Stephen und Lila rechtzeitig da. Es ist ausverkauft.«
Selbstbezogener, egoistischer Blödmann … »Das funktioniert nicht mit uns«, sagte ich.
Er ballte die Hand zur Faust und zwang sich dann, sich wieder zu entspannen. »Hör zu, ich will aber, dass es funktioniert. Du bist bloß sauer auf mich, weil ich wegen dieser blöden Autosache denselben Standpunkt wie dein Vater habe. Lila geht mit Stephen, Grace mit Chad. Wir beide zusammen, das passt perfekt.« Er strich mir über die Wange. Früher war ich bei dieser Berührung geschmolzen, jetzt spürte ich nur Hornhaut und Schrunden. »Ich weiß, es ist nicht leicht, das mit uns wieder hinzukriegen. Ich glaube, das Problem ist, dass wir es zu langsam angehen. Ich habe mir eine Belohnung verdient, dafür, dass ich die Finger von dir lasse.«
Luke kam einen Schritt auf mich zu, schob die Hand auf meinen Rücken und drückte mich an sich. Jeder einzelne Muskel in mir verspannte sich. Es fühlte sich vollkommen verkehrt an.
»Sehen wir uns den Film an, und danach können wir zu mir gehen. Sobald dir wieder einfällt, was wir schon mal so gut miteinander konnten, geht’s dir bestimmt besser.« Sein Atem traf mein Gesicht, und ich hätte schwören können, ein paar Spucketröpfchen ebenfalls. Warum machte ich das alles noch einmal mit?
»Echo! Da seid ihr ja! Das Kino ist schon voll.« Lila war ganz aufgekratzt. Dankbar für die Unterbrechung löste ich mich von Luke.
Stephen und Luke begrüßten sich mit irgend so einem komischen Männerhandschlag. Stephen zeigte zum Kino Nummer drei. »Kommt, es geht gleich los. Wir konnten keine sechs Plätze mehr nebeneinander bekommen, aber wir haben euch zwei in der letzten Reihe reserviert.« Stephen und Luke klatschten sich mit einem High Five ab. Mann, Luke würde gleich eine Megaenttäuschung erleben, wenn er merkte, dass da in der letzten Reihe aber auch gar nichts lief.
Die Jungs gingen voraus, Lila und ich ließen uns ein wenig zurückfallen. »Alles okay?«, fragte Lila.
»Ich glaube nicht, dass das mit Luke und mir funktioniert. Er hat sich kein bisschen verändert.« Warum musste auch das wieder so kompliziert sein? Warum konnte nicht irgendwann einmal etwas einfach sein, so wie es in der Neunten gewesen war?
Lila holte tief Luft und presste die Lippen zusammen. »Lass uns später reden, okay?«, sagte sie schließlich. »Jetzt genießen wir erst mal den Film.«
Sie schloss zu Stephen auf, und Luke griff nach meiner Hand. »Stell dir einfach vor, wieder so wie früher zu sein. So – ganz normal, weißt du?«, sagte er.
Lila sandte mir einen flehenden Blick. Ich sank neben Luke in den Kinosessel und duldete es, dass er den Arm um mich legte. Alle beteten um Normalität. Aber bis jetzt fühlte sich Normalität für mich nur wie noch mehr Elend an.
Der Film begann damit, dass ein Teenager seinen Highschool-Abschluss machte und zu den Marines ging. Nach zehn Minuten hatte er die Grundausbildung hinter sich. Nach zwanzig Minuten musste ich würgen.
Meine Kehle war wie zugeschwollen, meine Zunge fühlte sich zehn Nummern zu groß an, und ich bekam keine Luft mehr. So sehr ich mich auch bemühte zu atmen, die Luft gelangte einfach nicht in meine Lunge. Ich sprang von meinem Sitz auf und tastete mich im Dunkeln die Stufen des Kinosaals hinunter, während auf der Leinwand Männer voller Qual nach Gott und ihren Müttern schrien.
Ich rannte auf die Damentoilette und klammerte mich an ein Waschbecken. Der Blick in den Spiegel war ein Albtraum. Meine roten Locken klebten mir an der Stirn, und ich zitterte wie Espenlaub.
Das Bild aus dem Film, wie ein Freund des Protagonisten auf eine Miene trat, schoss mir durch den Kopf. Ein bitterer Geschmack stieg mir die Kehle hoch. Oh Gott – Aires. War er so umgekommen? Hatte auch er vor Schmerzen geschrien? Hatte er gewusst, dass er sterben würde? Das blutüberströmte Gesicht aus dem Film verschmolz mit Aires’ Zügen. Ich beugte mich würgend über das Waschbecken, ohne mich übergeben zu können.
Er war tot, und er war qualvoll und in Panik gestorben.
Eine Klotür ging auf. Eine verschrumpelte alte Dame kam heraus und schaute mich mitfühlend an. »Liebeskummer?«
Ich griff nach einem Papiertuch, um mir über die Augen zu wischen und mein Gesicht zu verbergen.
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