Noah: Thriller (German Edition)
versperrte ihr die Sicht auf den Monitor ihres Computers.
Was geht hier vor? , fragte sie sich, während sie die Blumen von dem dünnen Papier befreite. Sie roch kurz an den weißen Rosen, dann schob sie die Vase zur Seite, die vermutlich gleich mitgeliefert worden war. Sie glaubte nicht, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, die Blumen ins Wasser zu stellen.
Was ist nur in Kevin gefahren?
Hatte er ihr nicht oft genug gesagt, sie wäre seine beste Reporterin?
Celine hatte keine Ahnung, weshalb sie ausgerechnet an einem Tag wie heute mit einer Tätigkeit abgespeist wurde, die ein Praktikant erledigen konnte.
Sie wusste nur eins: dass sie Kevin gegenüber nie einen zweiten Mann erwähnt hatte. Woher also wusste er von Oscar?
13. Kapitel
Das Erste, was Noah beim Betreten der Pariser-Platz-Suite auffiel, war nicht der lodernde Kamin in dem vom Schlafzimmer abgetrennten Wohnbereich. Nicht der Plasmabildschirm darüber, der stumme Bilder von gestrandeten Reisenden auf irgendeinem internationalen Flughafen zeigte, auch nicht das illuminierte Brandenburger Tor, dessen Quadriga man durch die bodentiefen Fenster sehen konnte. Es war der Geruch.
Ein Geruch nach Mandeln und Orchideen, der eine Explosion in seinem Gehirn auslöste. Vom ersten Moment, vom ersten Atemzug in der Suite an, verschwand das Gewicht des Rucksacks auf seinen Schultern, und Oscars Worte, die dieser ihm zuraunte, verhallten ungehört. Auch von Vandenberg nahm Noah keine Notiz mehr, als dieser sich mit der Bemerkung verabschiedete, Dr. Morten würde sich ja im Hotel bestens auskennen und sicher allein zurechtfinden.
Noah spürte nur noch Schmerzen.
Ziehende, brennende, rotglühende Schmerzen, von denen sein gesamter Oberkörper erfasst wurde. Gleichzeitig startete eine Bilderlawine vor seinem geistigen Auge, die sich weniger wie eine Erinnerung als wie eine Nahtoderfahrung anfühlte.
Er hörte ein wummerndes, basslastiges Dröhnen. Grelle Stroboskopblitze zuckten durch die Dunkelheit, streiften Menschen, deren Leiber zuckten, weil sie …
Tanzen? Ja, bei Gott, sie tanzen.
Und sie taten es rückwärts, wie Noah als Nächstes registrierte, während der schier unerträgliche Schmerz sich auf einen Punkt in seiner Schulter zu verdichten schien.
Rückwärts? Tatsächlich.
Der gesamte Film in seinem Kopf lief in die verkehrte Richtung. Noah wurde von der Tanzfläche weggezogen und in einen Fahrstuhl gesaugt, die Türen schlossen sich, die Stockwerksanzeige sprang von minus zwei in den fünften Stock, wo Noah, mit dem Gesicht zu einer beigefarbenen, zerkratzten Tür eines Lastenfahrstuhls gerichtet, mehrere Zahlen hintereinander in ein Tastenfeld eingab.
Hier lief der Erinnerungsfilm etwas langsamer, so dass Noah die Tasten erkennen konnte, die er drückte:
4266
Danach schien ihn wieder ein unsichtbarer Magnet in rasendem Tempo in einen Hotelflur zurückzuziehen.
Das ist hier im Adlon! Ich erkenne es wieder!
Derweil wuchs der Schmerz, und jetzt war es ganz eindeutig die linke Schulter, von der er ausging. Noah fühlte, wie er stolperte, aber sofort wieder auf den Beinen war und eine Tür mit dem Rücken voran aufstemmte. Jetzt befand er sich in einem Zimmer, auf Knien, mit der Stirn gegen eine geschlossene Tür gelehnt; kalter Schweiß sickerte durch die Poren wieder in seinen Körper hinein.
Er hörte ein helles Fiepen in den Ohren wie nach einem lauten Konzert, und plötzlich spürte er, wie sich ein Fremdkörper aus seiner Schulter herausschälte; fühlte, wie das Projektil durch die Haut zurück nach außen drang. Dann zog sich der Nachhall eines Schusses quasi in sich selbst zusammen, endete in einem satten Plopp, und im gleichen Augenblick waren auch Noahs Schmerzen verschwunden. Die Schulter, in der eben noch eine Gewehrkugel gesteckt hatte, war wieder intakt. Noah drehte sich um und konnte sehen, was das für ein Zimmer war, in dem er nunmehr aufrecht stand: die Pariser-Platz-Suite im Adlon.
Tatsächlich. Ich bin schon einmal hier gewesen.
Er sah zu dem bodentiefen, zerstörten Fenster …
… durch das hindurch ich angeschossen wurde …
… sah die Splitter im Rahmen und das Brandenburger Tor in der Ferne, aber vor allem sah er den reglosen Mann am Boden direkt vor dem Kamin liegen. Der Teppich unter dessen Kopf säuberte sich wie von Geisterhand. Das Blut, das eben noch die Fasern getränkt hatte, sickerte in den Kopf des Mannes zurück.
Und während das Blut verschwand und sich die Wunde des Toten wieder schloss,
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