Noah: Thriller (German Edition)
verflixte Sprachbox. Sie hätten doch schon längst zurück sein müssen. Und nun ist der Kaffee kalt, und ich …« Sie begann zu weinen.
Celine stand auf und griff nach ihrem Mantel.
»Okay, Mama, beruhige dich. Das ist sicher nur eine vorübergehende Vorsichtsmaßnahme. Ist ja keine Bombe oder so hochgegangen. Du wirst sehen, Papa ist bald wieder zu Hause.«
Die Worte verfehlten ihre beruhigende Wirkung.
»Ich weiß nicht«, sagte ihre Mutter unsicher. »Ich hab so ein komisches Gefühl. Wie damals, als er umgekippt ist, weißt du noch?«
»Ihm geht es gut.«
»Ja, vielleicht. Aber ich fühle mich schlecht, Liebes. Kannst du nicht kommen?«
»Jetzt?«
Celine sah auf die große Uhr an der Mittelsäule des Großraumbüros. Völlig unmöglich. Sie hatte durch den Arztbesuch schon den Vormittag verloren und nicht einen Handschlag gearbeitet. Andererseits konnte sie sich nicht daran erinnern, wann ihre Mutter zuletzt eine solche Bitte geäußert hatte. Maria hatte ihr Leben lang immer großen Wert auf ihre Selbstständigkeit gelegt. Unterstützung von anderen Menschen, selbst von ihrer Tochter, wollte sie nur im äußersten Notfall akzeptieren, und der schien gerade eingetreten zu sein.
Außerdem bin ich ja sowieso aufs Abstellgleis geschoben, dachte Celine und sah zum Konferenzraum hinüber, in dem gerade über die Dinge gesprochen wurde, die heute wirklich wichtig waren.
Mit Obdachlosen kann ich auch von unterwegs aus telefonieren.
Sie traf eine Entscheidung. Sie war Reporterin. Egal, was Kevin ihr aufgetragen hatte, an einem solchen Tag hielt sie nichts am Schreibtisch.
»Ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann, ja? Ich melde mich wieder bei dir.«
Ein guter Freund Celines arbeitete bei der Flughafenpolizei, eine ehemalige WG-Mitbewohnerin im Tower. Sobald sie einen von beiden erreicht hatte, würde sie entscheiden, ob sie vor Ort etwas ausrichten konnte oder ob sie als emotionaler Beistand für ihre Mutter besser nach Hause fahren sollte.
Sie griff nach ihrer Handtasche und ging zu den Fahrstühlen.
Hier schob Celine ihren Mitarbeiterausweis in einen der Detektoren, die sich im NNN-Gebäude in jeder Etage befanden. Ohne Berechtigung durfte man den Verlag weder betreten noch verlassen. Zu ihrem Erstaunen piepte es ähnlich laut wie vorhin, als sie die Schleuse im Foyer passiert hatte. Gleichzeitig leuchtete das Display rot auf.
»Karte gesperrt«, las Celine erstaunt in der Anzeige. »Was soll das bedeuten?«
»Dass du nicht gehen darfst, Celine.«
Sie fuhr zu der Stimme in ihrem Rücken herum.
Kevin hatte sich wie aus dem Nichts heraus vor ihr materialisiert, gemeinsam mit zwei blau uniformierten Sicherheitsbeamten.
»Aber …« Celine verschlug es für einen Moment die Sprache. Sie sah über Kevins Schulter ins Großraumbüro, das sich langsam wieder mit ihren Kollegen füllte.
»Bist du verrückt geworden? Du kannst mich doch nicht gegen meinen Willen hier festhalten.«
Kevin lächelte, und wie immer empfand sie es als künstlich und aufgesetzt.
»Mach jetzt bitte keinen Aufstand und lass dich von den beiden Herren in dein neues Büro führen.« Er zeigte auf die Notausgangstür neben den Fahrstühlen.
»Was soll der Quatsch? Ich will kein neues Büro, ich muss nach Hause.«
»Ich weiß, deine Mutter macht sich große Sorgen«, sagte Kevin. Diese Aussage schockierte sie noch viel mehr als die Tatsache, dass einer der beiden Männer ihr blitzschnell den Arm verdrehte. Kevin warf den Sicherheitsbeamten einen strengen Blick zu, den Celine nicht deuten konnte. War er verärgert, dass sie so grob angefasst wurde, oder wollte er sie zur Eile antreiben? Sein ganzes Verhalten war ihr ebenso unbegreiflich wie seine nächste Bemerkung: »Du kannst jetzt nicht nach Hause«, sagte er. »Die Sache mit deinem Dad muss erst einmal warten.«
»Woher weißt du davon?«, fragte Celine konsterniert.
Statt eine Antwort zu erhalten, wurde sie im Polizeigriff durch die Brandschutztür hindurch ins dunkle Treppenhaus geführt.
17. Kapitel
Der dunkelbraune, von zahlreichen Reisen zerkratzte Koffer fühlte sich falsch an. Zu schwer für ein Handgepäck, zu klein für eine längere Reise. Er war aus rotbraunem Hirschleder, etwas größer als der Tower eines Heimcomputers.
Noah schüttelte ihn, hörte nichts klappern, was auch kein Wunder war. Der lederne Deckel war stark ausgebeult, die Nähte an den Seiten gespannt. Wer immer den Koffer gepackt hatte, hatte jeden Kubikzentimeter
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