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Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders

Titel: Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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geschorenen dunklen Haare, die Sommersprossen überall, den Schatten der Bartstoppeln. Er sieht anders aus als zu der Zeit, als ich ihn das letzte Mal so angeschaut habe. Als ich ihn wirklich kannte. Seine Gesichtszüge haben etwas von ihrer Wildheit verloren. Die Kanten sind nicht mehr so stolz und selbstgewiss.
    » Tut mir leid, dass ich dich in der Videothek so überfallen habe«, beginnt er mit leiser, aber fester Stimme. » So war das von mir nicht geplant.«
    » Was war denn dein Plan?«, frage ich, nicht um ihn zu provozieren, sondern weil ich wirklich neugierig bin.
    » Ich hatte ungefähr eine Million verschiedene Pläne«, antwortet er. » Und am Schluss konnte ich mich für keinen entscheiden.«
    » Okay, aber jetzt hast du’s mir gesagt.« Ein Teil von mir erwartet immer noch, dass er gleich alles zurücknimmt. Als sei das hier ein letztes grausames Spiel, das er mit mir spielt.
    Er nickt.
    » Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?«, frage ich.
    » Weiß nicht.« Er schaut mir einen Moment in die Augen, dann schweift sein Blick ab, zur Periodensystem-Tafel an der Wand. » Ich weiß, ich habe überhaupt kein Recht zu so was. Ich war für dich… ich weiß gar nicht genau, was ich für dich war. Es war nicht richtig, wie ich mit dir Schluss gemacht habe. Irgendwas in mir ist ausgeflippt und ich… ich habe deine Nähe nicht mehr ertragen. Es war nicht deine Schuld. Aber ich habe es nicht mehr ertragen. Ich… ich musste dich auslöschen. Nicht in Wirklichkeit natürlich. Aber den Gedanken an dich. Deine Gegenwart.«
    » Warum?«
    » War nur so ein Gefühl– ein Instinkt. Ich musste es einfach tun. Es war nicht richtig. Es hat sich für mich damals nicht richtig angefühlt mit dir.«
    » Aber du hättest deswegen nicht so auf mich einprügeln müssen«, antworte ich mit gepresster Stimme, erst allmählich wieder zu meiner normalen Stimmlage zurückfindend. » Du hättest es mir einfach sagen können. Sagen können, ›Es fühlt sich nicht richtig für mich an ‹ .«
    » Nein«– er schaut mich wieder an– » du verstehst mich nicht. Du hättest es mir ausgeredet. Ich hätte einen Rückzieher gemacht.«
    » Vielleicht hättest du den Rückzieher ja gemacht, weil du es nicht wirklich wolltest.«
    » Siehst du– genau das wäre deine Logik gewesen. Und ich wollte nicht, dass du mit deiner Logik kommst.«
    » Stattdessen hast du mich lieber ausgelöscht?«
    Er streicht mit den Fingern an einem Becherglas entlang, starrt darauf. » Ich weiß– tut mir leid.«
    Ich beschließe, mit der Geschichte fortzufahren. » Du machst also mit mir Schluss. Du lästerst über mich herum. Zwei Wochen später stehst du dann mit Mary Anne McAllister eng umschlungen in der Eingangshalle, steckst ihr deine Zunge in den Mund und erzählst danach allen, ich hätte dich umpolen wollen, damit du nicht mehr auf Mädchen, sondern auf Jungs stehst. Und jetzt? Ist es mit Mary Anne und Cyndi und Joanne oder wem auch immer nicht so gut gelaufen und hast du deshalb beschlossen, wieder zu mir zurückzukommen?«
    » So ist es nicht.«
    » Wie dann?« Ich spüre, wie verwirrt er ist. Ich spüre, dass er mir etwas sagen will. Aber die ganze Kränkung bricht in mir jetzt durch– und es ist ein wütender Schmerz. » Dann erklär’s mir bitte. Was ist es? Die ganzen Monate, als du mich geschnitten hast– als alle mich gefragt haben, ›Was ist mit Kyle los? ‹ , und ich versucht habe, mir aus all dem, was ich von anderen erzählt bekommen habe, deinen Blick auf die Geschichte zusammenzureimen–, diese ganze Zeit über hat mich das nämlich mehr als alles andere beschäftigt: was das bei dir denn eigentlich war. Drum sag’s mir jetzt: Was war da bei dir los?«
    Da beginnt er zu zittern. Und ich erinnere mich genau daran– wie er immer zu zittern anfing, wenn ihn etwas aufregte oder er von Gefühlen vollkommen überwältigt war. Dann konnten weder er noch ich irgendetwas tun, damit es aufhörte. Als er mir erzählte, dass sein Bruder mitgeteilt bekommen hatte, er habe Diabetes; als sein Vater ihn bei einem Sonntagsbesuch anbrüllte, weil er mit Basketball aufgehört hatte; als wir ans Ende von »Boys Don’t Cry« kamen– da musste ich ihn mit aller Kraft festhalten, als sein Körper abzuschütteln versuchte, was seine Psyche nicht mehr verkraftete. Nach dem ersten Mal, als er versucht hatte, mit einem kleinen Lachen darüber hinwegzugehen, hatten wir nicht mehr darüber gesprochen. Wir warteten einfach ab, bis es sich gelegt

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