Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders
geküsst. Hast du das gehört? Wenn’s weiter nichts ist! Ich war mit ihm gestern im Wald wandern und hab ihn umarmt, weil es ihm nicht gut ging. Das ist alles.«
Ich hoffe, damit sind die Dinge jetzt geklärt. Aber Noah wirkt noch verwirrter als vorher.
» Und wen hast du heute früh dann geküsst?«, fragt er.
Schluck.
» Ähm… äh…«
» Ähm? Äh?«
Dumm. Dumm. Dumm!
» Kyle«, krächze ich.
Noahs Augen werden riesengroß. Er ist mit einem Schlag hellwach.
» Deinen Ex-Freund Kyle?«
Ich nicke.
Jetzt lacht Noah auf.
» Mannomann«, sagt er. » Ich hab wirklich ein Riesenglück mit den Kerlen. Da wär’s mir ja noch lieber gewesen, du hättest Tony geküsst. Aber Kyle– wow!«
» Ich kann es erklären«, sage ich kleinlaut. Bevor mir einfällt, dass ich es ihm ja schon erklärt habe.
» Die Mühe kannst du dir sparen«, sagt Noah. » Echt. Du hättest es mir nicht gesagt, oder?«
» Aber ich hab es dir gesagt«, erläutere ich. Wenigstens das muss ich nicht auf mir sitzen lassen.
Noah redet weiter. » Ich hab dir ja schon gesagt, dass ich mich am Wochenende mit meinen drei besten Freundinnen getroffen hab und ihnen alles über dich erzählt habe. Und weißt du, was sie gesagt haben? Sie haben mir geraten, vorsichtig zu sein. Chloë, Angela und Jen waren sich einig, dass ich anderen viel zu schnell vertraue. Manchmal denke ich sogar selbst, dass Dinge viel zu schön sind, um wahr zu sein– und es endet dann tatsächlich damit, dass sie zu schön waren, um wahr zu sein. Ich hab dich vom ersten Augenblick an gemocht, Paul. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie hart die letzten Monate für mich gewesen sind. Neu in diese Stadt zu kommen, alles, was mir etwas bedeutet hat, hinter mir zurückzulassen– und dann setze ich plötzlich meine ganze Hoffnung und mein ganzes Vertrauen in einen total Fremden. Das war mit Pitt so und mit dir wäre es jetzt fast wieder genauso gewesen– obwohl ich mir geschworen hatte, dass mir so was nie mehr passieren würde. Zum Glück ist es diesmal nicht so weit gekommen. Zum Glück hab ich das mit Kyle jetzt schon herausgefunden und nicht erst in zwei Monaten.«
Ich merke, worauf er zusteuert, und will es nicht.
» Bitte mach das nicht, Noah«, sage ich leise.
Er weicht zurück. » Nicht ich«, sagt er, » du hast es kaputt gemacht.«
» Es war nur ein Kuss!«
Noah schüttelt den Kopf. » Ein Kuss ist niemals nur ein Kuss. Das weißt du genauso wie ich. Darum geh jetzt bitte.«
Ich beginne zu weinen. Ich habe keine Kontrolle darüber. Ich versuche, die Tränen zurückzuhalten, bis er wieder im Haus ist und mich nicht mehr so anschaut. Jetzt ist er voller Wut, und ich spüre den ganzen Schmerz– einen Schmerz, der umso größer ist, weil es allein meine Schuld ist. Alles, was er wollte, war, dass ich vorsichtig mit ihm umgehe. Und ich war unachtsam. So verdammt unachtsam.
» Gute Nacht«, sage ich, während er immer weiter zur Haustür zurückweicht.
» Gute Nacht«, erwidert er, aus reiner Gewohnheit oder weil er ein freundlicher Mensch ist– oder warum auch immer.
Ich gehe mitten auf der Straße nach Hause, allein mit meinen Gedanken und meiner bitteren Enttäuschung. Aber das Verrückte ist, dass ich immer noch einen Funken Hoffnung spüre. Ich weiß, dass ich in diesem Augenblick nichts sagen oder tun kann, um Noahs Meinung über mich zu ändern. Aber bald wird dieser Augenblick Minuten und Tage und Wochen her sein. Was ich für Noah empfinde, lässt sich durch ein einziges Gespräch nicht einfach so auslöschen. Die Tatsache, dass ich mich so schrecklich fühle, ist auf perverse Art der Beweis dafür, wie viel er mir bedeutet und wert ist.
Ich habe mich selbst in diese verzweifelte Situation gebracht. Ich kann mich daraus auch wieder befreien.
Glaube ich zumindest.
Der Klub der toten Witwe
Am nächsten Morgen kommt meine Mutter in mein Zimmer, als ich gerade überlege, ob ich aufstehen soll oder nicht. Ich sehe nicht ein, warum ich zu Hause bleiben darf, wenn ich Fieber habe (was ein vorübergehender Zustand ist), mich aber müde durch einsame Schulflure quälen soll, wenn dort einfach niemand ist, den ich gerne treffen würde (was möglicherweise ein vorübergehender Zustand ist, möglicherweise aber auch nicht). Ich versuche, mir schnell noch eine Ausrede auszudenken, aber bevor ich meinen Mund aufmachen kann, sagt sie: » Vergiss es. Und häng die Sicherheitsweste in die Garderobe, bevor du gehst. Ich mag nicht, dass sie so auf dem Boden
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