Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders
dem kleinen Zimmer in der Bibliothek, das für solche Treffen reserviert ist. Ich bin überhaupt nicht vorbereitet, aber ich werde alles tun, um den gegenteiligen Eindruck zu erwecken.
Für das Komitee haben sich zehn Leute gemeldet. Die ersten beiden, auf die mein Blick fällt, sind zwei beste Freundinnen, die alles immer nur im Doppelpack machen; weil sie Amy und Emily heißen, nennen wir sie die Indigo Girls, obwohl sie beide hetero sind. Trilby Pope und Infinite Darlene haben sich so weit wie möglich voneinander weggesetzt. Infinite Darlene starrt Trilby feindselig an und Trilby starrt als Antwort auf den Boden. Ich weiß ganz genau, dass das Infinite Darlene wahnsinnig macht, sie liebt nämlich nichts mehr als ein Blickduell.
Kyle sitzt weiter hinten im Raum und wirkt etwas verloren. Er steht nicht auf meiner Liste, und mich beschleicht der Verdacht, dass er erst gestern Vormittag nach unserer Begegnung in der Besenkammer beschlossen hat, teilzunehmen.
Und dann gibt es da noch die Klub-Kids, die seit Beginn des Kindergartens kein anderes Ziel haben, als Pluspunkte für ihre College-Bewerbung zu sammeln. Sie treten jedem erdenklichen Komitee bei, leisten so viele ehrenamtliche Stunden wie nur möglich und versetzen sich gegenseitig Dolchstöße mit frisch gespitzten Nr.- 2 -Bleistiften, um nur ja der- oder diejenige zu sein, die schließlich die Jahrgangsabschlussrede halten darf. (Ironischerweise wird unsere Abschlussrede von Dixie LaRue gehalten, einem totalen Partygirl, das sich dem Gruppendruck der Klub-Kids immer verweigert hat.) Da die Klub-Kids dazu neigen, sich so breit aufzustellen, dass ihr Engagement dünner und durchsichtiger als Plastikfolie ist– und ihr Charakter steht dem in nichts nach–, weiß ich, dass sie wahrscheinlich nur in den ersten zwei Sitzungen auftauchen werden, die Teilnahme an dem Komitee in ihren Lebenslauf schreiben und dann weiterziehen– zum Jugendklub der amerikanischen Waffenliga oder wohin auch immer.
Das Problem ist nur, dass sie immer ihre Meinung kundtun müssen, bevor sie uns alle in Ruhe lassen, weil sie glauben, dass aktionistische Umtriebigkeit sie zu Experten für alles macht.
Was sehr selten der Fall ist.
» Ich finde, wir sollten als Thema die siebziger Jahre nehmen!«, ruft Klub-Kid A, kaum dass ich unsere Runde eröffnet habe.
» Die Siebziger als Thema ist so was von total Neunziger«, erkläre ich ihr. » Sonst noch Vorschläge?«
» Wie wär’s mit ›Die Zukunft ‹ ?«, bringt Klub-Kid B sich ein.
» Oder ›Die Vielfalt des Lebens ‹ ?«, meldet sich Klub-Kid C.
» Und wie wär’s mit ›Erlaubt ist, was gefällt ‹ als Thema?«, antworte ich. » Das ist eine Tanzveranstaltung, meine Lieben– kein Wissenschaftskongress.«
Klub-Kid C, der bereits die Hand gehoben hatte, lässt sie wieder sinken. Wahrscheinlich hat er tatsächlich geglaubt, am Vorbereitungstreffen für » Jugend forscht« teilzunehmen.
» Und wenn wir ›Der Zauberer von Oz ‹ nehmen?«, schlägt Klub-Kid E schüchtern vor. Der Glanz in ihren Augen verrät mir, dass sie mit Dorothy wenigstens schon mal Bekanntschaft gemacht hat.
Das ist keine schlechte Idee. Aber wie so viele Ideen von Klub-Kids ist sie nicht sonderlich originell. Das Thema des Witwenballs letztes Jahr war nämlich » The Sound of Music«. Und so gern ich auch eine Straße aus gelben Ziegelsteinen in unsere Turnhalle hineinführen und die Aufpasser in die Pagenuniformen der fliegenden Affen stecken würde, befürchte ich doch, das Ergebnis wäre allzu blass im Vergleich zum letzten Jahr, als fast alle Gäste in Kostümen auftauchten, die sie sich aus den alten Vorhängen ihrer Eltern geschneidert hatten.
Ich erläutere das alles Klub-Kid E, die nicht allzu abgeschreckt wirkt. Vielleicht ist bei ihr noch nicht alle Hoffnung verloren. Ich frage sie nach ihrem Namen, und sie erzählt mir, dass sie Amber heißt.
» Sonst noch jemand eine Idee?«, frage ich.
» Wie wär’s mit dem Tod?«, sagt Kyle.
» Ähm, wie bitte?«
» Tod. Als Thema.«
Wir schweigen alle eine Sekunde.
» Das ist das Dümmste, was ich jemals gehört habe«, schnaubt Trilby Pope.
» Ich finde die Idee großartig«, entgegnet vorhersehbar Infinite Darlene.
» Ich bin mir nicht so sicher…«, sage ich.
» Nein, denkt mal drüber nach«, meldet sich Amy zu Wort. » Es könnte richtig gut werden. In ganz vielen Kulturen gehört Tanzen zur Begräbniszeremonie dazu. Das Leben erscheint dadurch noch cooler, als es eh schon ist.«
»
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