Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders
auftaucht. Weil die siebte Stunde schon angefangen hat, haben wir die Gänge fast für uns allein. Ich begleite Kyle zu seinem Klassenzimmer. Als wir angekommen sind, bedankt er sich bei mir.
Ich bedanke mich auch bei ihm. Ich sage ihm nicht, wofür.
Mehr als, gleich viel wie, weniger als
Noah sehe ich nur ein einziges Mal, als die Schule schon fast aus ist. Er steht im Flur, ungefähr zehn Meter von mir entfernt. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich zu ihm hingehen soll oder nicht. Als ich mich endlich in Bewegung setze, ist er verschwunden.
Scheint so, als ob das die neue Gesetzmäßigkeit in meinem Leben ist.
Mit Joni ist es noch schlimmer. Sie lässt mir durch unsere gemeinsame Freundin Laura ausrichten, dass sie mich für einen miesen Typen hält, und wenn ich mich über sie und Chuck sowieso nur aufregen will, dann soll ich sie besser gleich in Ruhe lassen.
» Wo sind wir denn hier?«, frage ich Laura. » Dritte Klasse?«
Sie seufzt. » Wenn du’s wirklich wissen willst– ja. Ich hab mich zuerst auch geweigert. Ich hab ihr erklärt, sie soll es dir selber sagen. Aber sie dreht völlig ab. Man kann überhaupt nicht mehr mit ihr reden. Und wenn du glaubst, das mit dir sei übel, dann nimm es mal drei, und du bekommst ungefähr einen Eindruck, wie übel die Sache für Ted ist.«
» Soll mich das jetzt aufrichten?«
» Nein, das soll dich nur unterrichten, wie die Lage ist.«
» Aber du willst mir damit nicht wirklich sagen, dass ich Joni vergessen soll?«
Laura sieht mir in die Augen, aber sie weicht meinem Blick trotzdem aus. Ich spüre, wie alle ihre Gedanken sich gegenseitig ausradieren.
» Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, sagt sie, was ich so interpretiere, dass sie sehr wohl weiß, was sie eigentlich dazu zu sagen hätte, dass sie aber Angst hat, wenn sie es sagt, kommt es Joni zu Ohren, und dann landet sie wie ich auf Jonis schwarzer Liste.
Nicht dass Joni und ich uns nicht vorher schon gestritten hätten. Aber da ging es immer um ganz lächerliche Dinge– welches Getränk am besten zu Pizza passt oder wie früh man zum Kino kommen muss, um ganz sicher noch Karten zu kriegen. Einmal haben wir eine Woche lang nicht miteinander geredet, weil sie der Meinung war, ein bestimmtes Outfit von mir sei total unmöglich, während ich unerschütterlich dabei blieb, dass meine Kombination großartig sei. (Unter ganz bestimmten Umständen, glaubt mir, ist es möglich, weiße Socken zu einer dunklen Hose zu tragen.) Damals, und auch die vielen anderen Male, wussten wir beide, dass unser Streit vollkommen dämlich war und jeder von uns sich idiotisch verhielt, auch wenn es dabei natürlich um Stolz und Ehre ging. Wir haben uns immer so reingesteigert, dass wir am Ende beide unrecht hatten, was es umso einfacher machte, uns wieder zu versöhnen.
Diesmal ist alles anders. Diesmal weiß ich, dass sie sich idiotisch verhält, und ich weiß auch, dass sie felsenfest davon überzeugt ist, sie würde sich nicht idiotisch verhalten. Ich werfe ihr vor, dass sie mir Vorwürfe macht. Wir schieben uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Und da wieder rauszukommen, ist viel schwieriger.
Ich beschließe, das Gegenteil von dem zu tun, was sie von mir erwartet. Sie erwartet von mir, dass ich ihr aus dem Weg gehe– also suche ich jetzt erst recht die direkte Konfrontation. Ich will nicht, dass Chuck dabei ist, deshalb warte ich damit bis zu ihrem Sportunterricht. Als die Stunde vorbei ist und es nur noch ein paar Minuten bis zum nächsten Klingeln sind, schleiche ich mich zum Mädchenumkleideraum.
» Was zum Teufel machst du hier?!?«
Das kommt von Joni. Die anderen Mädchen sind alle entspannt und locker. Sie wissen, dass ich schwul bin und dass mich ihre nackten Brüste ungefähr so anmachen wie ihre Ellenbogen.
Joni ist sowieso schon umgezogen, deshalb weiß ich ganz klar, dass ich das eigentliche Problem bin.
» Ich will mit dir reden«, sage ich.
» Hat Laura dir nicht ausgerichtet, dass du mich in Ruhe lassen sollst?«, fragt Joni. Sie scheint nicht zu merken, dass mit diesem Satz etwas nicht in Ordnung ist.
» Ich wollte es von dir selber hören.«
» Lass mich in Ruhe.«
Die anderen Mädchen ziehen sich zurück. Nur eine nähert sich Joni, um sie solidarisch zu unterstützen, aber sie wird von ihr mit einer unwirschen Handbewegung weggescheucht.
Ich kenne sie so gut, ich kenne ihre Wut so gut. Ihre Augen blitzen dann feurig auf, und ihr rechter Arm bildet ein perfektes D, wenn sie ihre
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