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Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders

Titel: Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sind mit frisch gefallenen Blättern gesprenkelt. Ich weiß nicht, wohin (außer irgendwann nach Hause) und zu wem. Mein Rucksack ist schwer, aber nicht halb so schwer wie meine Gedanken. Deshalb konzentriere ich mich auf die Geschäfte und den Himmel und halte mein Gesicht in den Wind.
    Im Plattenladen lege ich einen Zwischenstopp ein und sage Javier und Jules Hallo. Die eine Hälfte des Ladens gehört Javier, die andere Jules– die beiden haben einen vollkommen unterschiedlichen Musikgeschmack, deshalb muss man sich vorher immer überlegen, ob die Musik, nach der man sucht, eher ein Fall für Javier oder für Jules ist. Sie sind seit über zwanzig Jahren zusammen, und als sie mir heute einen Cider anbieten und meine gedrückte Stimmung bemerken, würde ich sie am liebsten fragen, wie sie das geschafft haben. Mit jemand zwanzig Jahre lang zusammen zu sein, kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Ich scheine es nicht mal auf zwanzig Tage bringen zu können. Und zwanzig Wochen wäre schon eine ziemlich große Zeitspanne. Wie schaffen sie es bloß, tagaus tagein zusammen im Laden zu stehen und immer wieder füreinander Platten aufzulegen? Wie schaffen sie es, dass sie sich immer noch etwas zu sagen haben– und dabei die Dinge nicht zu sagen, die sie später für immer bereuen würden? Wie schafft ihr es, zusammenzubleiben?, würde ich sie gerne fragen, so wie ich das auch gerne meine glücklich verheirateten Eltern fragen würde und so wie ich gern auf alte Menschen zugehen und sie fragen würde: Wie fühlt sich das an, so lange zu leben?
    Ella Fitzgerald schmachtet aus den Lautsprechern, dann gibt PJ Harvey einen Einsamkeitsschrei von sich. Ich mustere kurz Javiers Sonderangebote neben der Kasse und entdecke, dass er dort auch ein paar von Jules’ Favoriten reingeschmuggelt hat. Javier erzählt mir halb im Scherz, dass ich vorsichtig sein soll mit dem, was ich mir wünsche. Jules warnt mich davor, zu viele PJ-Harvey-Träume zu träumen.
    Als ich den Laden wieder verlasse, ist es draußen kühler geworden, oder vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil mir drinnen so warm war. Den nächsten Zwischenstopp lege ich im Coffeeshop ein, um für meine Mutter ein Päckchen frischen Kaffee zu besorgen. Ich werfe einen Blick zu den stylischen Loungekissen in der Ecke und entdecke dort Cody (meinen ersten Freund aus der Grundschule) zusammen mit seinem neuen Freund, einem Jungen namens Lou oder Reed. Die beiden haben sich tief in die Kissen sinken lassen und teilen sich einen Latte macchiato, den sie langsam, Schluck für Schluck, schlürfen. Gemeinsames Glück steigt wie Kaffeeduft und Wasserdampf von ihnen auf. Cody sieht mich und winkt mich zu ihnen beiden herüber. Ich lache und mache ein Zeichen, dass ich leider nicht kann. Ich tu so, als hätte ich es eilig.
    Ihre Vertrautheit miteinander lässt mich an Noah denken. Ich habe mich noch nie jemandem so nahe gefühlt, nicht auf diese Weise.
    Danach mache ich einen kleinen Abstecher in den Five-and-Dime-Store, wo jede Süßigkeit nach wie vor nur fünf oder zehn Cent kostet. Ich nehme ein paar Schokoladenhäufchen für meinen Bruder und einen Strang Lakritz-Bindfäden mit Erdbeergeschmack für Tony. Joni mag am liebsten die Root-Beer-Fässchen. Ich muss mich zwingen, davon nicht auch welche zu kaufen.
    Mein nächster Halt ist der Thirdhand-Klamottenladen am Ende der Straße. Ich suche gerade nach alten Armeestiefeln, als mir eine Frau auffällt, die fast aufs Haar Noah gleicht. Ich will keine Armeestiefel, um in den Kampf zu ziehen; ich will sie, weil ich glaube, dass ich dann mit beiden Beinen fester auf der Erde stehe. Die Frau betrachtet skeptisch ein paar leicht angeschlagene Blumentöpfe und fragt, ob sie sich auch für Geranien eignen. Ihre Haare sind länger als bei Noah und natürlich hat sie eine gepflegte Frisur. Aber die Augen sind genau die gleichen.
    Plötzlich taucht Claudia neben ihr auf. Und da wird es mir erst klar– ich stehe Noahs Mutter gegenüber.
    » Willst du nicht noch nach Jeans gucken?«, schlägt sie Claudia vor.
    Ich stehe mitten im Laden. Es ist zu spät, um mich unauffällig zu verdrücken. Claudia schaut mich direkt an. Wenn ich mich jetzt umdrehe und flüchte, wäre das schlimmste Feigheit vor dem Feind. Deshalb sage ich Hallo.
    Sie sieht durch mich hindurch und geht vorbei.
    Wahrscheinlich hat sie das Recht dazu. Ganz unten im Regal finde ich ein Paar Springerstiefel, die schon einiges mitgemacht haben müssen. Ich ziehe sie an und beuge mich

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