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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Schiffen in der Bucht. Ich wünschte, ich wäre eins von ihnen und könnte nach Hause fahren, ich wünschte, ich wäre niemals hierhergekommen. Ich hasse dieses Land… Was wäre, wenn… Wenn Malcolm mich nicht heiratet, werde ich einen anderen heiraten müssen, aber ich habe keine Mitgift, nichts. O Gott, dies ist nicht, was ich mir erhofft habe. Wenn ich es schaffen würde, nach Hause zu kommen, hätte ich immer noch kein Geld, nachdem die Tante und der Onkel, die Ärmsten, ruiniert sind. Colette hat auch nichts zu verleihen, ich kenne niemanden, der reich oder berühmt genug ist, um mich zu heiraten, oder wenigstens so weit oben in der Gesellschaft, daß ich beruhigt seine Mätresse werden könnte. Ich könnte zur Bühne gehen, aber da ist es wichtig, einen Gönner zu haben, der den Direktor und die Autoren schmiert und die Kleider, den Schmuck, die Kutschen und die Villa für die Soireen bezahlt – gewiß, ich müßte mit dem Gönner nach seiner Lust und Laune ins Bett gehen, nicht nach der meinen, jedenfalls, bis ich reich und berühmt genug bin, und das kostet Zeit, aber ich habe derartige Verbindungen nicht und auch keine Freunde, die sie haben. O Gott, ich bin so durcheinander. Ich glaube, ich muß jetzt wieder weinen…
    Sie barg das Gesicht in beiden Armen und ließ den Tränen freien Lauf, achtete aber darauf, nicht zu viele Geräusche zu machen, damit ihre Zofe sie nicht hörte und laut zu klagen anfing, wie sie es am ersten Tag getan hatte. Über dem Nachthemd aus cremefarbener Seide trug sie einen blaßgrünen Morgenmantel, ihre Haare waren zerzaust, und sie wirkte sehr weiblich in diesem maskulinen Zimmer mit dem riesigen, hinter Vorhängen versteckten Himmelbett. In ihrer Suite, die größer war als die von Malcolm, gab es auf einer Seite ein Vorzimmer, das einerseits an sein Schlafzimmer grenzte, andererseits an ein Speisezimmer mit Platz für zwanzig Gäste und einer eigenen Küche. Diese Türen waren beide verriegelt. Der Toilettentisch, den sie mit hellrotem Satin hatte verkleiden lassen, war die einzige Frivolität.
    Als ihre Tränen versiegten, trocknete sie sich die Augen und betrachtete stumm ihr eigenes Bild im Silberspiegel. Keine Falten, ein paar Schatten, das Gesicht ein wenig schmaler als zuvor. Äußerlich keine Veränderung. Sie seufzte schwer; dann begann sie wieder zu schreiben:
    Weinen hilft nichts. Heute muß ich mit Malcolm reden. Ich muß einfach. Wie André mir sagte, ist der Postdampfer schon einen Tag überfällig und wird die Nachricht von meiner Katastrophe mitbringen. Ich sterbe vor Angst, daß Malcolms Mutter an Bord sein wird – die Nachricht von seiner Verletzung müßte am 24. in Hongkong eingetroffen sein, so daß sie gerade noch Zeit genug hatte, diesen Postdampfer zu erreichen, Jamie bezweifelt, daß sie Hongkong so überstürzt verlassen kann, weil ihre anderen Kinder dort sind, ihr Ehemann erst seit drei Wochen tot ist und sie selbst noch in tiefer Trauer, die Ärmste.
    Als Jamie hier war – das erstemal, daß ich mit ihm allein sprechen konnte –, erzählte er mir alle möglichen Geschichten über die anderen Struans – Emma ist sechzehn, Rose dreizehn und Duncan zehn –, aber die meisten davon waren traurig: Letztes Jahr sind zwei weitere Brüder, die Zwillinge Robb und Dunross, sieben Jahre alt, bei einem Bootsunglück vor einem Ort in Hongkong namens Shek-O ertrunken, wo die Struans Ländereien und ein Sommerhaus besitzen. Und vor Jahren, als Malcolm acht war, ist eine andere Schwester, Mary, damals vier, am Happy-Valley-Fieber gestorben. Die arme Kleine. Bei dem Gedanken an sie und die Zwillinge habe ich die ganze Nacht weinen müssen. So jung!
    Ich mag Jamie, aber er ist so langweilig, so unzivilisiert – ich meine, gauche, mehr nicht –, er war noch niemals in Paris und kennt nur Schottland, die Struans und Hongkong. Ich frage mich, wenn ich darauf bestehen würde, daß wir, falls… Sie strich das aus und änderte es in wenn wir verheiratet sind… Ihre Feder zögerte. Malcolm und ich werden jedes Jahr einige Wochen in Paris verbringen, und die Kinder werden dort erzogen werden, selbstverständlich als Katholiken.
    Gestern habe ich mich mit André darüber unterhalten, daß wir Katholiken sind – er ist sehr liebenswürdig und lenkt mich mit seiner Musik von meinen Problemen ab – und daß Mrs. Struan anglikanische Protestantin ist, und was ich sagen soll, wenn dieses Thema jemals zur Sprache kommt. Wir haben sehr leise geredet – ich habe ja ein

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