Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
Emilie, Emilie Clemm hieß sie, war eine entfernte Cousine von Poes Frau Virginia Clemm; das hab ich aber erst später erfahren, und darum hab ich auch seine Bücher.« Dimitri lachte. »Poe war ein großer Schriftsteller, aber ein noch größerer Säufer und Weiberheld. Mir scheint, daß alle Schriftsteller Faulpelze, Säufer und Weiberhelden sind – denken Sie an Melville –, vielleicht macht sie das zu Schriftstellern. Ich jedenfalls kann keinen Brief schreiben, ohne dabei ins Schwitzen zu kommen. Und Sie?«
    »Na ja, ich kann schon Briefe schreiben – muß ja sein. Und auch ein Journal führen, wie die meisten Leute. Was wollten Sie über diesen Poe sagen?«
    »Daß er Virginia Clemm heiratete, als sie dreizehn war, wollte ich sagen – dazu war sie noch seine Cousine – man stelle sich das vor! –, und daß sie glücklich waren und daß ihr das mit den anderen Frauen offenbar nichts ausmachte. Meine Emilie war nicht dreizehn, sondern achtzehn, und eine echte Südstaatenschönheit. Wir heirateten, als ich die Army verließ und in Richmond zu Cooper-Tillman ging – die wollten damals auf Waffen und Munition für den Export nach Asien expandieren, wovon ich eine Menge verstand. Der alte Jeff Cooper meinte, daß Schußwaffen und andere Waren aus Norfolk in Virginia sich gut mit Opium an der oberen Chinaküste, Silber und Tee nach Norfolk vertragen würden – aber Sie kennen ja Jeff. Cooper-Tillman und Struan’s sind alte Freunde, eh?«
    »Ja, und ich hoffe, daß es so bleibt. Fahren Sie fort.«
    »Ist nicht viel mehr. Im Laufe der Jahre zogen auch andere aus der Familie nach Süden und verteilten sich über das Land. Meine Ma kam aus Alabama, ich habe zwei Brüder und eine Schwester, alle jünger als ich. Jetzt ist Billy im Norden, bei der New Jersey 1st Cavalry, und der Janny meines kleinen Bruders – nach seinem Granddaddy Janov Syborodin genannt – ist auch bei der Kavallerie, aber bei den 3rd Virginian Advance Scouts. Ist alles Mist – die beiden verstehen nicht das geringste von Krieg und Kämpfen und werden mit Sicherheit draufgehen.«
    »Sie… Sie wollen zurück?«
    »Weiß nicht, Male. Manchmal denke ich ja, dann aber wieder nein, ich will nicht anfangen, Verwandte umzubringen, egal auf welcher Seite ich kämpfe.«
    »Warum sind Sie dort weggegangen und in diesem gottverlassenen Teil der Welt gelandet?«
    »Weil Emilie starb. An Scharlach. Es gab eine Epidemie, und sie gehörte zu denen, die Pech hatten. Das war vor neun Jahren – wir hätten gerade ein Kind kriegen sollen.«
    »Ein schreckliches Unglück!«
    »Ja. Sie und ich, wir haben beide genug Unglück erlebt…«
    Struan war so in seinen Roman vertieft, daß er weder hörte, wie die äußere Tür zu ihrer Suite leise geöffnet und wieder geschlossen wurde, noch wie sie auf Zehenspitzen zu seiner Tür schlich, um einen Moment hereinzuspähen und dann wieder zu verschwinden. Gleich darauf wurde die innere Tür zu ihrem Schlafzimmer mit leisem Klicken ins Schloß gedrückt.
    Er blickte auf. Lauschte aufmerksam. Sie hatte gesagt, daß sie hereinschauen wollte, ihn aber nicht stören werde, wenn er schlief. Und wenn sie selbst müde war, wollte sie direkt zu Bett gehen und ihn am nächsten Morgen besuchen. »Keine Angst, Liebling«, hatte er fröhlich erwidert. »Amüsier dich gut. Wir sehen uns beim Frühstück. Schlaf gut. Du weißt, ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch, chéri. Schlaf gut.«
    Das Buch ruhte auf seinem Schoß, während er zu spüren versuchte, ob sie zurückgekehrt war. Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Wenn er gekonnt hätte, wäre er aus dem Bett gestiegen und hätte sich vergewissert. Wie gut, daß ich es nicht kann, dachte er. Ich würde bleiben wollen.
    Dieser Gedanke ließ ihn nicht los. Mit Mühe richtete er sich auf und schwang die Beine über die Bettkante. Bis dahin war es gerade noch erträglich. Aber beim Aufstehen nicht mehr. Das Aufstehen ging über seine Kräfte. Sein Herz hämmerte, ihm wurde übel, und er legte sich zurück. Immerhin, ein bißchen besser als gestern. Ich muß mich antreiben, egal, was Babcott sagt, dachte er grimmig und rieb sich den Magen. Morgen werde ich’s wieder versuchen, dreimal.
    Als er sich ein bißchen erholt hatte, begann er wieder zu lesen. Er war froh über das Buch, doch jetzt vermochte ihn die Geschichte nicht mehr so stark zu fesseln; seine Aufmerksamkeit schwankte, und in Gedanken begann er die Geschichte mit Bildern von ihr zu untermischen, und seine Vorstellungen

Weitere Kostenlose Bücher