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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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wurden immer erotischer.
    Schließlich legte er das Buch beiseite und markierte die Stelle mit einer Seite aus ihrem Tagebuch, die sie ihm gegeben hatte. Möchte wissen, was sie darin schreibt, dachte er. Von mir und ihr? Von ihr und mir?
    Er war jetzt sehr müde. Er streckte die Hand nach der Lampe aus, um den Docht herunterzuschrauben, hielt aber inne. Das kleine Weinglas mit dem Schlaftrunk winkte. Seine Finger zitterten ein wenig.
    Babcott hat recht, ich brauche das Zeug nicht mehr.
    Schließlich löschte er das Licht, legte sich zurück und schloß die Augen, betete für sie und seine Familie, und daß seine Mutter ihnen den Segen geben würde, und dann für sich selbst. O Gott, hilf mir, gesund zu werden – ich habe Angst, große Angst.
    Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Das Umdrehen und Wälzen, um sich bequemer zu betten, schmerzte stark und erinnerte ihn immer wieder an die Tokaidō und Canterbury. Halb schlafend, halb wachend schwirrte sein Kopf von Bildern aus dem Buch, der makabren Szenerie und der Frage, wie es wohl enden würde.
    Die Zeit verging, Minuten oder Stunden; dann trank er das Elixier und entspannte sich zufrieden in dem Bewußtsein, daß er jetzt bald auf Wolken dahintreiben werde, seine Hand auf ihr, auf ihren Brüsten und überall, ihre Hand auf ihm, nicht weniger geübt, nicht weniger willkommen.

15
    Freitag, 5. Oktober
    Gleich nach Morgengrauen stieg Angélique aus dem Bett und setzte sich an ihren Toilettentisch vor den Erkerfenstern, die auf die High Street und den Hafen hinausgingen. Sie war sehr müde. In der verschlossenen Schublade lag ihr in rostrotes Leder gebundenes Tagebuch, ebenfalls verschlossen. Sie holte den winzigen Schlüssel aus seinem Versteck, schloß es auf, tauchte ihre Feder in die Tinte und begann Eintragungen zu machen. In dieser Zeit schien das Tagebuch ihre einzige Freundin zu sein, die einzige, bei der sie sich sicher fühlte:
    Freitag, 5.: Wieder eine schlechte Nacht, ich fühle mich gräßlich. Es ist vier Tage her, daß André mir die schreckliche Nachricht über Vater gegeben hat. Seitdem habe ich nichts tun können, habe meine Türen verschlossen und mich, Fieber vortäuschend, ins Bett geflüchtet. Nur ein-oder zweimal am Tag habe ich meinen Malcolm besucht, um ihn zu beruhigen, meine Tür aber für alle außer der Zofe verschlossen, die ich hasse. Einmal habe ich mich bereit erklärt, Jamie zu treffen und André.
    Am ersten Tag war der arme Malcolm außer sich vor Sorge, als ich nicht kam und auch die Tür nicht öffnen wollte; er bestand darauf, auf einer Bahre in mein Boudoir getragen zu werden, um mit mir zu sprechen – sonst würde er die Tür aufbrechen lassen. Es gelang mir, ihn hinzuhalten, indem ich mich zwang, zu ihm zu gehen und ihm zu erklären, es sei alles in Ordnung, ich hätte nur furchtbare Kopfschmerzen, und nein, ich brauchte Babcott nicht, über meine Tränen solle er sich keine Sorgen machen. Unter vier Augen erklärte ich ihm, es sei eben ›meine Monatsregel‹, und manchmal sei der Fluß stark, und manchmal seien meine Tage unregelmäßig. Es machte ihn unglaublich verlegen, daß ich ihm gegenüber von meiner Periode sprach! Es war fast so, als hätte er nichts von dieser weiblichen Funktion gewußt. Zuweilen verstehe ich ihn nicht, obwohl er so lieb und rücksichtsvoll ist. Noch eine Sorge: In Wirklichkeit geht es dem Ärmsten nicht viel besser, und er leidet so große Schmerzen, daß ich weinen könnte.
    Madonna, verleih mir Kraft, dachte sie. Und dann ist da das andere. Ich versuche, mir keine Sorgen zu machen, aber ich bin außer mir vor Angst. Der Tag kommt näher. Dann werde ich von diesem Schrecken befreit sein, aber nicht von der Not. Wieder begann sie zu schreiben.
    Es ist so schwierig, im Struan-Gebäude auch mal allein zu sein, so luxuriös und angenehm es hier auch sein mag, aber die Niederlassung ist gräßlich. Kein Coiffeur, keine Schneiderin (nur ein chinesischer Herrenschneider, der sehr geschickt alles kopiert, was bereits existiert), keine Putzmacherin – den Schuhmacher habe ich noch nicht ausprobiert. Nichts, wohin man gehen, nichts, was man tun könnte, o Gott, wie sehne ich mich nach Paris. Würde Malcolm mit mir dorthin ziehen, wenn wir verheiratet sind? Niemals. Und wenn wir nicht heiraten… wie soll ich dann auch nur die Rückfahrkarte bezahlen? Wovon?
    Diese Frage habe ich mir schon tausendmal gestellt, ohne eine Antwort darauf zu finden.
    Ihr Blick wanderte vom Papier zum Fenster und zu den

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