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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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so großes Glück, daß er mein Freund ist und mich gewarnt hat wegen meinem Vater –, aber plötzlich legte er sich den Finger auf die Lippen, ging zur Tür und riß sie auf. Ah Tok, die alte Vettel, Malcolms Amah, hatte das Ohr ans Holz gepreßt und wäre fast ins Zimmer gefallen. André spricht ein bißchen Kantonesisch und hat ihr die Leviten gelesen.
    Als ich später am Tag Malcolm besuchte, hat er sich tief zerknirscht bei mir entschuldigt. Es ist nicht wichtig, sagte ich, die Tür war nicht verschlossen, meine Zofe war, wie sich’s gehörte, als Anstandsdame in meinem Zimmer, aber wenn Ah Tok mir nachspionieren will, sag ihr doch bitte, daß sie anklopfen und hereinkommen soll. Ich muß gestehen, daß ich Malcolm gegenüber kühl und distanziert war, und nun gibt er sich die größte Mühe, besonders nett zu sein und mich zu beschwichtigen, aber so empfinde ich nun mal, obwohl ich auch gestehen muß, daß André mir geraten hat, mich so zu verhalten, bis unsere Verlobung öffentlich bekanntgegeben worden ist.
    Ich mußte André – das mußte leider sein – um ein Darlehen bitten und habe mich furchtbar dabei gefühlt. Es war das erstemal, daß ich so etwas tun mußte, aber ich brauche dringend Geld. Er war sehr freundlich und versprach, mir morgen zwanzig Louis gegen meine Unterschrift zu bringen, genug für unvorhergesehene Fälle für ein bis zwei Wochen – Malcolm scheint einfach nicht zu bemerken, daß ich Geld brauche, und ihn möchte ich nicht darum bitten…
    Ich habe jetzt fast ständig Kopfschmerzen und versuche mir zu überlegen, wie ich aus diesem Alptraum herauskomme. Es gibt niemanden, dem ich wirklich vertrauen kann, nicht einmal André, obwohl er sich bisher zuverlässig gezeigt hat. Und Malcolm… nun ja, immer, wenn ich mit dem Text beginne, den ich eingeübt habe, weiß ich genau, daß die Worte gezwungen, schal und furchtbar klingen, also sage ich lieber gar nichts.
    »Was ist denn, Liebling?« fragt er immer wieder.
    »Nichts«, antworte ich. Und später, wenn ich mich von ihm verabschiedet und meine Zimmertür verschlossen habe, weine und weine ich in mein Kopfkissen. Ich glaube, ich werde noch wahnsinnig vor Kummer – wie konnte mein Vater bloß lügen und mir mein Geld stehlen? Und warum kann Malcolm mir nicht eine Art Taschengeld geben, ohne daß ich ihn darum bitten muß, oder mir wenigstens etwas anbieten, damit ich so tun kann, als würde ich ablehnen, um sein Angebot dann mit Freuden anzunehmen? Ist denn das nicht die Pflicht eines Ehemannes oder Verlobten? Ist es nicht die Pflicht eines Vaters, seine geliebte Tochter zu beschützen? Und warum wartet Malcolm und wartet und gibt unsere Verlobung noch immer nicht bekannt? Hat er seine Meinung etwa geändert? O Gott, laß das bitte nicht geschehen…
    Angélique hielt mit dem Schreiben inne, weil die Tränen wieder zu fließen begannen. Eine tropfte auf’s Papier. Wieder trocknete sie sich die Augen, trank aus einem Becher einen Schluck Wasser und fuhr dann fort:
    Heute werde ich mit ihm sprechen. Es muß unbedingt heute sein. Eine gute Nachricht ist, daß das britische Flaggschiff vor ein paar Tagen zum Jubel aller Menschen hier heil in den Hafen zurückgekehrt ist (ohne die Kriegsschiffe sind wir wirklich absolut hilflos). Das Schiff war ziemlich ramponiert und hatte einen Mast verloren, aber ihm folgten alle anderen Schiffe bis auf die Fregatte Zephir mit zwanzig Kanonen und über zweihundert Mann an Bord. Vielleicht ist sie auch in Sicherheit. Ich hoffe es. Die Zeitung hier schreibt, daß dreiundfünfzig Seeleute und zwei Offiziere in dem Sturm, diesem Taifun, umgekommen sind.
    Er war schrecklich, der schlimmste, den ich je erlebt habe. Ich hatte fürchterliche Angst, Tag und Nacht. Ich dachte, das ganze Gebäude würde davongeweht, aber es ist so unerschütterlich wie Jamie McFay. Ein großer Teil des Eingeborenenviertels ist verschwunden, und es gab zahlreiche Brände. Die Fregatte Pearl wurde beschädigt und verlor auch einen Mast. Gestern kam ein Schreiben von Captain Marlowe: Ich habe soeben gehört, daß es Ihnen nicht gut geht, und sende Ihnen mein tiefstes und aufrichtigstes Mitgefühl etc.
    Ich glaube nicht, daß ich ihn mag, viel zu hochnäsig, obwohl die Uniform ihm prächtig steht und seine Männlichkeit betont – wozu die engen Hosen ja gedacht sind, genau wie wir uns so anziehen, daß Busen, Taille und Knöchel betont werden. Ein weiteres Schreiben kam gestern abend von Settry Pallidar, dem Ersten Offizier,

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