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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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tun?«
    »Warum nicht, wenn du es gern möchtest.«
    Sie seufzte, streichelte mit den Fingern verstohlen seinen Hals und sagte, als sei es ihr eben erst eingefallen: »Vielleicht, chéri, was meinst du, könnten wir die Flitterwochen dort verbringen – dann könnten wir ganze Nächte hindurchtanzen.«
    »Sie tanzen zu sehen ist ein Vergnügen, M’selle – in jeder Stadt«, erklärte Hoag, der in seinen zu engen Kleidern schwitzte und litt. »Ich wünschte, das könnte ich auch von mir behaupten. Dürfte ich vorschlagen…«
    »Tanzen Sie gar nicht, Doktor?«
    »Vor Jahren, in Indien, hab ich getanzt, aber als meine Frau starb, habe ich aufgehört. Sie hat immer so gern getanzt, daß ich jetzt keine Freude mehr daran haben kann. Prächtiges Fest, Malcolm. Dürfte ich vorschlagen, daß wir uns verabschieden?«
    Angéliques Lächeln erstarb; schnell sah sie Malcolm an und erkannte, wie erschöpft er war. Furchtbar, daß er so krank sein muß, dachte sie. Verdammt!
    »Es ist noch ziemlich früh«, behauptete Malcolm tapfer, obwohl er sich danach sehnte, sich hinlegen zu können. »Nicht wahr, Angélique?«
    »Ich muß gestehen, daß ich auch müde bin«, sagte sie schnell. Sie schloß den Fächer, legte ihn beiseite und lächelte ihn an. Poncin und die anderen wollten anscheinend ebenfalls aufbrechen. »Vielleicht können wir uns einfach hinausschleichen und die anderen weiterfeiern lassen…«
    Leise verabschiedeten sie sich von den Umstehenden. Alle taten, als merkten sie nicht, daß sie hinausgingen, aber sie ließen eine gewisse Leere zurück. Draußen vor der Tür machte sie unvermittelt halt. »O la la, ich hab meinen Fächer vergessen. Ich komme gleich nach, mein Liebling.«
    Sie eilte zurück. Poncin hielt sie auf. »M’selle«, sagte er auf französisch, »ich glaube, das hier gehört Ihnen.«
    »Oh, sehr liebenswürdig.« Erleichtert, daß ihr Trick gelungen und er ein so scharfer Beobachter war, wie sie es gehofft hatte, nahm sie ihren Fächer entgegen. Als er sich über ihre Hand beugte, um sie zu küssen, flüsterte sie ihm auf französisch zu: »Ich muß Sie morgen unbedingt sprechen.«
    »Zwölf Uhr mittags, Gesandtschaft, fragen Sie nach Seratard, er wird nicht da sein.«
    Den letzten Walzer summend, den sie getanzt hatte, saß sie vor dem Spiegel und bürstete sich das Haar. Welcher Tanz war der schönste gewesen? fragte sie sich. Das ist leicht, Marlowe und die Polka, besser als Pallidar und der Walzer – Walzer sollte man nur mit der großen Liebe tanzen, sich der Musik, der Bewunderung und der Sehnsucht hingeben, auf Wolken schwebend wie ich heute abend, am schönsten Tag meines ganzen Lebens, verlobt mit einem wunderbaren Mann und bis zum Wahnsinn von ihm geliebt.
    Es hätte der schönste Tag sein sollen, war es aber nicht.
    Seltsam, daß ich diesen Abend genossen habe, daß ich ganz ruhig denken und handeln kann, obwohl der Tag vorüber ist und ich vermutlich mit dem Kind eines Vergewaltigers schwanger bin, das entfernt werden muß.
    Sie betrachtete ihr Spiegelbild, als sei es das eines anderen Menschen. Die festen Bürstenstriche prickelten angenehm auf ihrer Kopfhaut und fegten die deprimierenden Gedanken hinweg, bis sie sich wunderte, daß sie noch lebte und nach außen hin noch immer dieselbe war.
    Merkwürdig, jeder Tag nach dem ersten damals in Kanagawa scheint leichter gewesen zu sein.
    Wie kommt das?
    Ich weiß es nicht. Ist auch egal. Morgen wird das Problem gelöst sein, aber vielleicht geht es auch heute nacht noch los, und all die Angst und die Tränen waren überflüssig gewesen. Zehntausende von Frauen waren schon in der gleichen Situation wie ich und sind ohne Schaden wieder herausgekommen. Nur ein kleiner Trank, und alles ist wieder wie zuvor, ohne daß jemand davon erfährt. Bis auf dich und Gott. Bis auf dich und den Arzt oder dich und die Hebamme – oder Hexe.
    Genug für heute, Angélique. Vertrau auf Gott und die Madonna. Die Madonna wird dir helfen, du bist ohne Schuld. Du bist offiziell mit einem wundervollen Mann verlobt, wirst irgendwann heiraten und glücklich sein bis an dein Lebensende. Morgen ist der siebte Tag, morgen wird das Wo und das Wie beginnen.
    Hinter ihr richtete Ah Soh das Himmelbett, sammelte ihre Strümpfe und Unterwäsche ein. Die Krinoline hing schon mit zwei anderen an einer Stange, während ein halbes Dutzend neue Tageskleider noch sorgfältig in Reispapier gewickelt warteten. Durchs offene Fenster drangen Lachen, trunkener Gesang und Musik aus dem

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