Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
fühlte sich anders, irgendwie umgewandelt. Er wußte nicht, warum, aber er war sehr traurig, und sein Instinkt sagte ihm, daß sie ihn, so sehr er sie auch liebte, so sehr er sich auch körperlich bemühte, in ihrem ganzen gemeinsamen Leben nie vollkommen befriedigen können würde.
    Auf seinen Stock gestützt, erhob er sich und hinkte so lautlos wie möglich zu seiner Kommode. In der obersten Schublade befand sich das Fläschchen mit der Medizin, das er dort für die Nächte versteckt hatte, in denen Schlaf unmöglich war. Er schluckte den letzten Rest. Dann schlurfte er schwerfällig zum Bett. Mit zusammengebissenen Zähnen legte er sich hin und seufzte tief auf, als ihn der schlimmste Schmerz verließ. Daß er den letzten Tröster geschluckt hatte, kümmerte ihn nicht. Chen, Ah Tok oder irgendein Diener konnten ihm jederzeit mehr besorgen. Schließlich versorgte Struan’s den größten Teil Chinas damit.
    Auf ihrer Seite der Tür lehnte Angélique noch an der Wand. Sie war aufgewühlt, wußte nicht, ob sie zu ihm zurückkehren oder ihn allein lassen sollte. Sie hatte gehört, wie er zur Kommode ging und eine Schublade öffnete, wußte aber nicht, warum, hörte die Bettfedern quietschen und seinen langen, erleichterten Seufzer.
    Es war nur der Schmerz und weil wir nicht dürfen, dachte sie, um sich zu beruhigen, und unterdrückte ein nervöses Gähnen. Und auch, weil er beim Ball so stillsitzen mußte, obwohl er der beste Tänzer ist, den ich jemals gehabt habe. Schließlich war es das, was mich in Hongkong so sehr an ihm fasziniert hat.
    Nicht schlimm, daß er mit mir schlafen will – und nicht meine Schuld, daß er Schmerzen bekam. Er ist ganz einfach überreizt, der arme Malcolm. Morgen wird er alles vergessen haben, und alles ist wieder gut. Es ist besser, wenn ich jetzt umziehe, ich muß auch noch an das andere denken. Es wird alles gut werden!
    Sie schlüpfte ins Bett und schlief schnell ein, doch ihre Träume waren von seltsamen Ungeheuern mit verzerrten Babygesichtern bevölkert, die vor Lachen kreischten und an ihr zerrten, während sie mit ihrem eigenen Blut etwas auf die Laken schrieb, das ihr aus der Fingerspitze floß, die sie als Feder benutzte, um die Schriftzeichen immer wieder nachzuziehen – die Schriftzeichen von der Steppdecke, die sich ihr tief ins Gedächtnis geprägt hatten und nach denen sie weder André noch Tyrer zu fragen gewagt hatte.
    Irgend etwas riß sie aus dem Schlaf. Unsicher warf sie einen Blick auf die Tür, weil sie fast erwartete, ihn dort zu sehen. Aber er war nicht da, und da sie ganz leise seinen schweren, regelmäßige Atem hörte, kuschelte sie sich wieder in die Kissen und dachte: Es war der Wind oder ein klappernder Fensterladen.
    Mon Dieu, bin ich müde! Aber wie habe ich mich auf dem Fest amüsiert! Und wie schön ist der Ring, den er mir geschenkt hat!
    Eine Polka summend, von Eifersucht auf John Marlowes Erfolg erfüllt und überzeugt, daß er es ebenso gut gekonnt hätte, tänzelte Phillip Tyrer zur Tür des Hauses ›Zu den drei Karpfen‹ in dem winzigen, verlassenen Gäßchen und klopfte schwungvoll an. Hier schien die Yoshiwara tief zu schlafen, aber nicht weit entfernt brodelte das Leben in den Häusern und Bars der Main Street, war die Nacht noch jung und hallte wider vom Lachen und vom rauhen Gesang der Männer.
    Das Türgitter ging auf. »Mass’s, was?«
    »Sprechen Sie bitte Japanisch. Ich bin Taira-san und habe eine Verabredung.«
    »Ah, ist das so?« entgegnete der stämmige Diener. »Taira-san, eh? Ich werde die Mama-san informieren.« Das Gitter wurde geschlossen.
    Während er wartete, trommelte Tyrer mit den Fingern auf das alte Holz. Gestern hatte er den ganzen Tag und Abend mit Sir William verbracht, ihm die Sache mit Nakama und der Gesandtschaft erklärt und versucht, einen Modus vivendi für seinen neuen Lehrer zu finden. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er die wichtige Tatsache, daß der Mann ein wenig Englisch sprach, nicht auch erwähnt hatte. Aber er hatte geschworen, es niemandem zu sagen, und als Engländer hieß das bei ihm: ein Mann, ein Wort.
    Sir William hatte schließlich zugestimmt, daß Nakama offen Samurai sein durfte, denn schon oft waren Söhne aus Samurai-Familien vorübergehend an die französische oder die britische Gesandtschaft attachiert worden. Aber auf Sir Williams Befehl hin durfte er innerhalb der Niederlassung Schwerter weder tragen noch besitzen. Diese Vorschrift galt für alle Samurai bis auf die

Weitere Kostenlose Bücher