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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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läßt…
    Der Gedanke nagte an ihr. Zersetzte ihre Entschlossenheit. Echte Tränen rollten über ihre Wangen. Dann dachte sie plötzlich an das, was ihr Vater früher einmal gesagt hatte, vor vielen Jahren, unmittelbar, bevor er sie und ihren kleinen Bruder in Paris verlassen hatte.
    »Jawohl, er hat uns verlassen«, sagte sie laut und gestand sich damit zum erstenmal die Wahrheit ein. »Mon Dieu, und nach allem, was ich inzwischen weiß, ist es vermutlich sogar gut so. Er hätte uns verkauft, hätte mich bestimmt schon lange verkauft.«
    Der Vater hatte Napoleon Bonaparte zitiert, sein großes Idol: »Ein kluger General plant immer die Rückzugsposition, von der aus er den Hammerschlag des Sieges führen kann.«
    Welches ist meine Rückzugsposition?
    Dann fiel ihr etwas ein, das André Poncin vor Wochen einmal gesagt hatte. Sie lächelte, und all ihre Sorgen waren verschwunden.
    In seiner gestochenen Schrift brachte Phillip Tyrer die letzten Worte von Sir Williams Antwort an die roju aufs Papier. Im Gegensatz zu allen vorangegangenen Mitteilungen hatte Sir William das Original diesmal auf englisch abgefaßt und wollte eine Kopie auf holländisch beifügen, die Johann anfertigen sollte. »Hier, Johann, ich bin fertig.« Mit einem schwungvollen Schnörkel verzierte er den Schwanz des ›B‹ von Sir William Aylesbury, K.C.B.
    Johann strahlte. »Das ist die schönste Schrift, die ich jemals gesehen habe. Kein Wunder, daß Wee Willie sich all seine Londoner Depeschen von Ihnen kopieren läßt.«
    »Shigata ga nail«, sagte Tyrer, ohne nachzudenken. Spielt keine Rolle.
    »Sie arbeiten wirklich eifrig an Ihrem Japanisch, eh?«
    »Ja, und unter uns – sagen Sie’s bloß nicht unserem Willie –, es macht mir großen Spaß. Was halten Sie von seinem Schachzug?«
    Johann seufzte. »Bei den Japanern kann man das nie sagen. Ich persönlich glaube, daß dieses Jappo-Geschwätz ihm den Kopf verwirrt hat.«
    Die Nachricht lautete:
    An Seine Exzellenz, Nori Anjo, Esq. Oberster roju. Ich habe Ihre Depesche von gestern erhalten und teile Ihnen mit, daß ich sie uneingeschränkt zurückweise. Wenn Sie die vereinbarte Rate der Entschädigung für den Mord an zwei britischen Soldaten nicht pünktlich zahlen, wird der geschuldete Betrag mit jedem weiteren Tag Verzögerung vervierfacht werden.
    Mit Bedauern mußte ich erfahren, daß Sie eindeutig nicht Herr Ihres eigenen Terminkalenders sind. Dies werde ich umgehend für Sie ändern. Von heute an in zwölf Tagen werde ich an Bord meines Flaggschiffs mit einer Eskorte von einem Geschwader nach Kyōto aufbrechen und in Osaka anlegen. Dann werde ich mit einer berittenen Eskorte der Royal Artillery und der obligat o rischen Sechzigpfünder-Kanone für den königlichen Salut sowie den anderen Gesandten augenblicklich nach Kyōto aufbrechen, um Wiedergutmachung für Sie von Seiner jungen Majestät, Shōgun Nobusada, persönlich zu verlangen, oder, falls er nicht erreichbar sein sollte, von Seiner Kaiserlichen Hoheit, Kaiser Komei persönlich, wobei ich den vollen königlichen Ehrensalut von einundzwanzig Kanonensc hüssen zusichere. Bitte, informieren Sie die Herren von unserer bevorstehenden Ankunft (gezeichnet) Gesandter und Botschafter Ihrer Britischen Majestät, Sir William Aylesbury, K.C.B.
    »Kaiser? Welcher Kaiser?« sagte Johann verächtlich. »Es gibt hier nur den Midako, Mkado oder so ähnlich, und der ist so eine Art minderer Papst ohne Macht, nicht wie Pius der Neunte, der sich einmischt, intrigiert, in Politik macht und uns am liebsten wieder auf dem Scheiterhaufen sähe.«
    »Na, na, Johann, so schlimm ist es nun auch nicht.«
    »Die Pest über die Katholiken.« Johann zuckte die Achseln. »Geben Sie mir die Rohkopie der Depesche, dann mache ich mich an die Arbeit.«
    »Sir Willie sagt, daß Sie Ihren Vertrag nicht verlängern wollen.«
    »Es wird Zeit, daß ich gehe und den Jüngeren und Klügeren Platz mache.« Johann begann zu lächeln. »Ihnen.«
    »Sehr komisch. Schicken Sie bitte Nakama herein; er ist im Garten.«
    »Trauen Sie diesem Bastard nicht. Behalten Sie ihn gut im Auge, Phillip!«
    Tyrer fragte sich, was Johann wohl sagen würde, wenn er die Wahrheit über ihn wüßte.
    Hiraga öffnete die Tür. »Hai, Taira-san?«
    »Ikimasho, Nakama-sensei, alter Junge, hai?« Gehen wir, ja? sagte Tyrer strahlend, immer noch verblüfft über die Veränderung.
    Als Hiraga an diesem Morgen eintraf, waren der Schmutz, die Lumpen und seine Samurai-Haartracht verschwunden, und die

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