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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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er. Es ist doch nicht Angéliques Schuld. Ganz recht, aber ihretwegen bin ich gestern abend zu den ›Drei Karpfen‹ gegangen und habe Raiko aufgesucht, und während wir uns in unserer speziellen Mischung aus Japanisch, Englisch und Pidgin unterhielten, hatte ich plötzlich das Gefühl, daß alles andere nur ein böser Alptraum gewesen ist und Hana jeden Moment mit einem Lachen in den Augen auftauchen würde, daß mein Herz wie immer jubeln würde, daß wir Raiko verlassen und gemeinsam baden, ein wenig spielen, dann essen und uns ohne Eile lieben würden. Und als mir dann klar wurde, daß Hana auf immer verschwunden ist, war mir, als wimmelten meine Eingeweide und mein Gehirn von Würmern, und ich hätte mich fast übergeben. »Raiko, ich muß wissen, wer die anderen drei Kunden waren!«
    »Tut mir leid, Furansu-san, wie ich schon sagte: Ihre Mama-san ist tot, das Personal des Hauses in alle Winde zerstreut, die Herberge ›Zu den siebenundvierzig Ronin‹ zerstört.«
    »Aber es muß doch eine Möglichkeit geben, sie zu…«
    »Nein. Tut mir leid.«
    »Dann sagen Sie die Wahrheit… die Wahrheit über ihren Tod.«
    »Sie starb mit Ihrem Messer im Hals. Tut mir leid.«
    »Hat sie es selbst getan? Hara-kiri begangen?«
    Raiko beantwortete die Frage im selben geduldigen Ton, im selben Ton, in dem sie zuvor schon oft dieselbe Geschichte erzählt, dieselben Fragen beantwortet hatte: »Hara-kiri ist ein uralter Brauch, eine ehrenhafte Möglichkeit, die einzige Möglichkeit, ein Unrecht gutzumachen. Hana hat dich und uns betrogen, ihre Eigentümer, Kunden und sich selbst – das war ihr Karma in diesem Leben. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Tut mir leid, lassen Sie sie in Frieden ruhen. Inzwischen ist der vierzehnte Tag nach ihrem Todestag vorüber, ihr Kami-Tag, an dem der Mensch wiedergeboren oder ein Kami wird. Lassen Sie ihren Kami, ihren Geist, ruhen. Tut mir leid, aber sprechen Sie nie wieder von ihr. Und nun – was kann ich sonst noch für Sie tun?«
    Angélique saß, wie man es sie von klein auf gelehrt hatte, kerzengerade in ihrem Sessel und beobachtete ihn, eine Hand auf dem Schoß, in der anderen den Fächer, mit dem sie die Fliegen abwehrte. Zweimal hatte sie ihn gefragt: »Was meinen Sie – ja oder nein?« Aber er hatte sie nicht gehört, schien sich in einer Art Trance zu befinden. Kurz bevor sie Paris verließ, war es ihrem Onkel genauso ergangen, und die Tante hatte gesagt: »Laß ihn, Kind. Wer weiß, welche Teufel den Geist eines Mannes heimsuchen, wenn er Sorgen hat.«
    »Was hat er denn für Sorgen, Tante-Maman?«
    »Ach, chérie, wenn das, was man verdient, nicht für das ausreicht, was man braucht, besteht das ganze Leben aus Sorgen. Die Steuern erdrücken uns, Paris ist ein Pfuhl von Habgier ohne Moral, in Frankreich gärt es wieder, der Franc ist mit jedem Monat weniger wert, das Brot ist in einem halben Jahr doppelt so teuer geworden. Laß ihn nur, den Armen, er tut, was er kann.«
    Angélique seufzte. Jawohl, der Arme. Morgen werde ich tun, was ich kann, und mit Malcolm reden, der wird schon dafür sorgen, daß seine Schulden beglichen werden. Ein so guter Mensch dürfte nicht im Schuldgefängnis sitzen. Wie hoch können seine Schulden sein? Ein paar Louis…
    Als sie sah, daß André wieder zu sich kam und sie anstarrte, fragte sie ihn: »Ja und nein, André? Was soll das heißen?«
    »Ja, ich habe eine Medizin, aber nein, Sie können sie noch nicht bekommen, weil Sie…«
    »Aber warum? Warum haben Sie…«
    »Mon Dieu, ein bißchen Geduld, dann kann ich Ihnen berichten, was die Mama-san mir gesagt hat. Sie können sie noch nicht bekommen, weil sie nicht vor dem dreißigsten Tag genommen werden darf, und dann, am fünfunddreißigsten Tag noch einmal, und weil der Trank – ein Aufguß von Kräutern – jedesmal frisch zubereitet werden muß.«
    Mit seinen Worten machte er ihren simplen Plan zunichte: daß André ihr den Trank oder das Pulver jetzt gleich geben, sie es sofort nehmen, sich ins Bett legen und behaupten könnte, sie habe die Vapeurs. Voilà. Ein bißchen Bauchschmerzen, und in ein paar Stunden, einem Tag höchstens, würde alles wieder in Ordnung sein.
    Sekundenlang hatte sie das Gefühl, daß sich alles um sie drehte, aber dann riß sie sich zusammen: Du bist allein. Du mußt stark sein, du mußt allein kämpfen, und du kannst sie schlagen! »Dreißig Tage?« fragte sie erstickt.
    »Ja. Tut mir leid. Und am fünfunddreißigsten noch einmal. Dabei müssen Sie sehr gewissenhaft

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