Noble House 02 - Gai-Jin
handeln, behaupten sie. Gut, wir wollen ebenfalls handeln – um Schußwaffen, Geschütze und Schiffe.« Katsumata lächelte und ergänzte leise: »Wenn wir Yokohama niederbrennen und zerstören, sollten wir so tun, als sei der Angriff auf Wunsch der Bakufu und des Shōgun erfolgt. Wenn dann die Gai-Jin wiederkommen, wird sich derjenige, der das Shōgunat kontrolliert, zögernd bereit erklären, eine bescheidene Entschädigung zu zahlen, während die Gai-Jin mit Freuden einwilligen werden, im Gegenzug ihre schändlichen Verträge zu zerreißen und unter den Bedingungen Handel zu treiben, die wir ihnen diktieren.«
»Sie werden uns in Kagoshima angreifen«, behauptete Sanjiro. »Wir werden sie nicht zurückschlagen können.«
»Unsere Bucht ist gefährlich für die Schiffahrt, nicht so offen wie Edo, wir haben geheime Küstenbatterien, geheime holländische Kanonen, wir werden mit jedem Monat stärker. Eine derartige Kriegshandlung durch die Gai-Jin würde alle Daimyos, alle Samurai und das ganze Land unter Ihrem Banner zu einer unüberwindlichen Streitmacht vereinigen. An Land können Gai-Jin-Truppen nicht gewinnen. Dies ist das Land der Götter, und auch die Götter werden Ihnen zu Hilfe kommen«, versicherte Katsumata eifrig, obwohl er selbst nicht daran glaubte, aber er wollte Sanjiro manipulieren, wie er es schon seit Jahren tat. »Ein göttlicher Wind, ein Kamikaze-Wind hat die Armada des Mongolen Kublai Khan vor sechshundert Jahren vernichtet, warum nicht heute abermals?«
»Richtig«, gab Sanjiro zu. »Damals haben uns die Götter gerettet. Aber Gai-Jin sind Gai-Jin und somit schändliche Barbaren, und wer weiß, was für Unheil sie noch ausbrüten werden? Töricht, einen Angriff von See her zu provozieren, bevor wir Kriegsschiffe besitzen – obwohl, gewiß, die Götter auf unserer Seite sind und uns beschützen werden.«
Katsumata lachte in sich hinein. Es gibt keine Götter, keinen Himmel, kein Leben nach dem Tod. Daran zu glauben wäre dumm. Ich glaube, was der große Diktator General Nakamura in seinem Todesgedicht gesagt hat: Vom Nichts ins Nichts, das Schloß Osaka und alles, was ich jemals getan habe, ist nur ein Traum in einem Traum. »Die Gai-Jin-Niederlassung bietet uns ein so leicht angreifbares Ziel wie niemals zuvor. Die beiden jungen Männer, die auf ihr Urteil warten, haben uns den Weg gezeigt. Ich bitte Sie, schlagen Sie ihn ein.« Er zögerte und senkte die Stimme noch ein wenig. »Es heißt, Herr, daß sie heimliche shishi sind.«
Sanjiros Augen verengten sich noch mehr.
Shishi – Männer mit Mut, wegen ihrer Courage und ihrer Heldentaten so genannt – waren junge Revolutionäre, Vorkämpfer eines beispiellosen Aufstands gegen das Shōgunat. Sie waren ein neues Phänomen, und man nahm an, daß sie im ganzen Land nur einhundertfünfzig zählten.
Für das Shōgunat und die meisten Daimyos waren sie Terroristen und Wahnsinnige, die zertreten werden mußten.
Für die meisten Samurai, vor allem die einfachen Krieger, waren sie Loyalisten, die einen alles zerstörenden Kampf für das Gute führten und die Toranagas zwingen wollten, auf das Shōgunat zu verzichten, um die Macht dem Kaiser zurückzugeben, dem sie, wie sie fanatisch glaubten, vor zweieinhalb Jahrhunderten entrissen worden war.
Für viele Bürgerliche, Bauern und Kaufleute, und vor allem für die Schwimmende Welt der Geishas und Freudenhäuser, waren die Shishi der Stoff für Legenden, besungen, beweint und bewundert.
Alle waren sie Samurai, junge Idealisten, die Mehrheit aus den Lehen Satsuma, Choshu und Tosa, einige fanatische Fremdenhasser, die meisten Ronin – Wellenmänner, weil sie so frei wie die Wellen waren –, herrenlose Samurai oder auch Samurai, die von ihrem Herrn wegen Ungehorsams oder eines Verbrechens verstoßen worden und vor der Strafe aus der Provinz geflohen waren oder die freiwillig geflohen waren, weil sie an eine neue, unerhörte Ketzerei glaubten: daß es eine höhere Pflicht gebe als die gegen ihren Herrn oder ihre Familie, eine Pflicht einzig gegenüber dem herrschenden Kaiser.
Vor ein paar Jahren hatte sich die wachsende Shishi-Bewegung zu kleinen, geheimen Zellen formiert, die sich verpflichteten, bushido neu für sich zu entdecken, uralte Samurai-Praktiken von Selbstdisziplin, Pflicht, Ehre, Tod, Schwertkunst und anderen kriegsähnlichen Übungen, Dinge, die für alle außer ein paar Sensei, die Bushido am Leben erhalten hatten, längst verloren waren. Verloren, weil Japan seit zweieinhalb
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