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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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weil er den Freund weder beleidigen noch in seinem Stolz verletzen wollte, denn er brauchte Shorins Eigenschaften ebensosehr, wie Shorin die seinen brauchte – er hatte nicht vergessen, daß Shorin auf der Tokaidō die Kugel abgelenkt hatte, die ihn fast getötet hätte. »Wir haben viel Zeit. Bis zum Morgengrauen sind’s noch mindestens zwei Kerzen.« Das waren annähernd vier Stunden. Er zeigte zur Tür hinüber. »Außerdem hätte sie Alarm geschlagen.«
    Shorin hielt den Atem an; innerlich fluchte er. »Eeee, Dummkopf! Ich bin ein Dummkopf, du hast recht – wieder einmal. Entschuldige.«
    Ori konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das junge Mädchen: Was hat diese Frau an sich, das mich beunruhigt, mich fasziniert, fragte er sich.
    Dann sah er hinter ihr den Riesen auftauchen. Aus den Informationen, die sie in der Herberge erhalten hatten, wußte er, daß das der berühmte englische Doktor war, der bei allen, die seine Dienste erbaten, Wunderheilungen vollbracht hatte. Ori hätte viel darum gegeben, verstehen zu können, was der Arzt zu dem jungen Mädchen sagte. Sie trocknete ihre Tränen und trank gehorsam, was er ihr reichte; dann führte er sie ins Haus zurück und schloß und verriegelte die Tür.
    »Verblüffend«, murmelte Ori. »Der Riese und die Frau.«
    Shorin, der Unterströmungen spürte, die ihn noch mehr beunruhigten, warf ihm einen prüfenden Blick zu; er war verärgert über sich selbst, weil er das Mädchen vergessen hatte, als die Patrouille in der Nähe war. Er konnte nur die Augen des Freundes sehen, vermochte aber nichts in ihnen zu lesen. »Komm, wir gehen zum Arsenal«, flüsterte er ungeduldig. »Oder wir greifen die nächste Patrouille an, Ori.«
    »Warte!« Bedächtig, um nicht mit einer unvermittelten Bewegung Aufmerksamkeit zu erregen, hob Ori die Hand im schwarzen Handschuh, doch eher, um die Schmerzen in seinem Arm zu lindern, als um sich den Schweiß abzuwischen.
    »Katsumata hat uns Geduld gelehrt, und Hiraga hat uns heute abend ebenfalls dazu geraten.«
    Einige Zeit früher, als sie in der Herberge ›Zu den Mitternachtsblüten‹ eintrafen, hatten sie zu ihrer Freude festgestellt, daß Hiraga, bewunderter Führer aller Choshu-Shishi, ebenfalls dort abgestiegen war. Die Nachricht von ihrem Überfall hatte sich bereits verbreitet.
    »Obwohl ihr das nicht wissen konntet, ist der Angriff zum perfekten Zeitpunkt erfolgt«, hatte Hiraga freundlich erklärt. Er war ein ansehnlicher Mann von zweiundzwanzig Jahren und groß für einen Japaner. »Er wird wirken wie ein Stock, mit dem man in dem Hornissennest Yokohama stochert. Die Gai-Jin werden ausschwärmen, sie müssen gegen die Bakufu vorgehen, die nichts tun werden, nichts tun können, um sie zu beruhigen. Ach, würden die Gai-Jin sich doch an Edo rächen! Wenn sie das täten und es zerstörten, wäre das für uns das Signal, die Palasttore zu stürmen! Sobald der Kaiser sämtliche Daimyos los ist, wird er gegen das Shōgunat rebellieren und es genauso vernichten wie die Toranagas. Sonno-joi!«
    Sie hatten auf Sonno-joi und Katsumata getrunken, der sie gerettet, die meisten von ihnen ausgebildet und Sonno-joi heimlich und weise gedient hatte. Ori hatte Hiraga flüsternd von ihrem Plan unterrichtet, Waffen zu stehlen.
    »Eeee, Ori, das ist eine gute Idee, und durchführbar«, hatte Hiraga nachdenklich gesagt. »Wenn ihr geduldig seid und auf den perfekten Augenblick wartet. Solche Waffen könnten für uns bei einigen Einsätzen sehr nützlich sein. Mir persönlich sind Schußwaffen zuwider – ich mag die Garotte, das Schwert oder das Messer, die sind sicherer, lautlos und weitaus einschüchternder. Ich werde euch helfen. Ich kann euch einen Plan des Grundstücks und Ninja-Kleidung besorgen.«
    Ori und Shorin strahlten. »Das würdest du tun?«
    »Selbstverständlich.« Die Ninjas waren ein streng geheimer Tong von perfekt ausgebildeten Meuchelmördern, die fast ausschließlich bei Nacht arbeiteten und deren schwarze Spezialkleidung viel zur Legende ihrer Unsichtbarkeit beitrug. »Einmal wollten wir ihre Gesandtschaft niederbrennen.« Hiraga lachte und leerte ein weiteres Fläschchen Saké, jenen angewärmten Wein, der seine Zunge mehr als gewöhnlich löste. »Aber wir haben es dann doch nicht getan, sondern entschieden, daß es wichtiger sei, sie unter Beobachtung zu halten. Wie oft bin ich als Gärtner oder bei Nacht als Ninja verkleidet dorthingegangen! Es ist erstaunlich, was man dabei erfahren kann, selbst wenn man nur wenig

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