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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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mich etwa nur als Heldin aufgespielt, weil dieser grauenhafte Tag einem Melodrama von Dumas glich, der Alptraum an der Straße nicht real, die Erregung in der Niederlassung nicht real, Malcolms Nachricht, die bei Sonnenuntergang eintraf, nicht real sein konnte: Komm mich bitte so bald wie möglich besuchen, geschrieben auf seinen Wunsch vom Arzt – nicht real, sondern ein Schauspiel, und sie in der Rolle einer edlen Heroine…
    Babcott blieb stehen. »Da sind wir. Er wird sehr müde sein, M’selle. Ich will nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist, dann lasse ich Sie für ein bis zwei Minuten allein. Möglicherweise wird er wegen des Medikaments einschlafen, aber nur keine Angst, und wenn Sie mich brauchen – ich bin im Behandlungszimmer gleich nebenan. Strengen Sie ihn nicht an, und sich selber auch nicht, machen Sie sich keine Sorgen – vergessen Sie nicht, daß auch Sie viel durchgemacht haben.«
    Sie riß sich zusammen, zwang sich zu einem Lächeln und folgte ihm ins Zimmer. »Hallo, Malcolm, mon cher.«
    »Hallo.« Struan war leichenblaß, aber sein Blick war klar.
    Der Arzt plauderte freundlich, musterte ihn, prüfte seinen Puls, fühlte ihm die Stirn, nickte vor sich hin, erklärte, dem Patienten ginge es gut, und ging hinaus.
    »Du bist so schön«, sagte Struan, dessen einst robuste Stimme hauchdünn klang; er fühlte sich merkwürdig, als schwebe er und sei dennoch an das Feldbett und den schweißdurchtränkten Strohsack gefesselt.
    Sie trat näher. Der Geruch war noch vorhanden, so sehr sie sich auch bemühte, ihn zu ignorieren. »Wie geht es dir? Es tut mir leid, daß du verletzt bist.«
    »Joss«, antwortete er lakonisch mit einem chinesischen Wort, das Schicksal, Glück, Wille der Götter bedeutete. »Du bist so schön.«
    »Ach, chéri, ich wünschte, das alles wäre nicht passiert, ich hätte nicht darauf bestanden, ausreiten zu wollen, mir nicht gewünscht, die Japaner zu besuchen.«
    »Joss. Heute ist… heute ist der nächste Tag, nicht wahr?«
    »Ja. Der Angriff war gestern nachmittag.«
    Es schien ihm ebenso schwerzufallen, Worte zu finden und sie auszusprechen, wie es ihr schwerfiel, bei ihm zu bleiben. »Gestern? Das war vor einer Ewigkeit. Hast du Phillip schon gesehen?«
    »Ja. Ja, ich habe ihn vorhin gesehen, aber er schlief. Ich werde ihn gleich nach dir besuchen, chéri. Und jetzt sollte ich wohl lieber gehen, ich darf dich nicht ermüden, hat der Arzt gesagt.«
    »Nein, bitte geh noch nicht. Hör mal, Angélique, ich weiß nicht, wann ich… wieder reisen kann, deswegen…« Ein Schmerzanfall veranlaßte ihn, die Augen zu schließen, ließ aber bald nach. Als er sie wieder anblickte, erkannte er ihre Angst und interpretierte sie falsch. »Keine Sorge, McFay wird dafür sorgen, daß du heil und si… sicher nach Hongkong zurückbegleitet wirst.«
    »Ich danke dir, Malcolm. Ja, ich glaube, das sollte ich tun. Morgen oder übermorgen werde ich zurückreisen.« Und als sie seine Enttäuschung sah, ergänzte sie schnell: »Bis dahin wird es dir bestimmt besser gehen und wir können zusammen reisen, und ach ja, Henri Seratard läßt dir sein Mitgefühl ausrichten…«
    Entsetzt hielt sie inne, als ihn ein ungeheurer Schmerz packte; sein Gesicht verzerrte sich, und er versuchte sich zu krümmen, konnte es aber nicht; seine Eingeweide versuchten das Gift des Äthers auszuspucken, das jede Pore und Hirnzelle zu durchdringen schien, konnten es aber nicht, denn sein Magen und seine Gedärme waren inzwischen vollständig leer, und jeder Krampf zerrte an seinen Wunden, jeder Husten riß mehr an ihm als der vorhergehende, und das Ergebnis dieser furchtbaren Qual war nichts als eine geringe Menge stinkender Flüssigkeit.
    In panischer Angst wirbelte sie herum, um den Arzt zu holen, und riß am Türgriff.
    »Schon gut, Ange… Angélique«, sagte die Stimme, die sie jetzt kaum noch erkannte. »Bleib doch… noch einen Moment.«
    Er sah das Entsetzen auf ihrem Gesicht und interpretierte es abermals falsch, las Sorge darin, tiefes Mitgefühl, und Liebe. Die Angst verließ ihn, er legte sich ruhig zurück, um Kraft zu sammeln. »Mein Liebling, ich hatte gehofft, ich hatte so sehr gehofft… Du weißt natürlich, daß ich dich vom ersten Moment an geliebt habe.« Der Krampf hatte ihn viel Kraft gekostet, aber sein fester Glaube, in ihr erkannt zu haben, worum er gebetet hatte, verlieh ihm inneren Frieden. »Ich kann nicht richtig denken, aber ich wollte… ich wollte dich sehen, um dir zu sagen… Himmel,

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