Noble House 02 - Gai-Jin
Denkschrift über Satsuma, Choshu und Tosa mitteilen würden, vor allem über die Gefahr, die Satsuma darstellt, und darüber, wie der Hof in Zukunft dem Shōgunat helfen könnte – und Mißverständnisse vermeiden.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein«, sagte Yoshi, dessen Miene sich aufhellte. Das wäre eine wunderbare Gelegenheit.
»Und schließlich habe ich noch die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß die Göttlichkeit Sie neben Shōgun Nobusada, einigen Daimyos sowie den Herrschern von Tosa, Choshu und Satsuma als Seinen persönlichen Gast zum Fest der Wintersonnenwende eingeladen hat. Die Einladungen nach Tosa und Satsuma sind schon unterwegs, Ihre und Herrn Ogamas werden morgen mit dem entsprechenden Zeremoniell überreicht werden, aber ich wollte mir die Freude machen, es Ihnen persönlich zu sagen.«
Yoshi war erstaunt, denn das war eine überaus große Ehre für jeden außerhalb des Inneren Kreises. Die Sonnenwende war in diesem Monat – dem zwölften Monat – am zweiundzwanzigsten Tag. In sechzehn Tagen. Die Festlichkeiten würden mindestens eine Woche dauern, vielleicht länger. Danach würde er abreisen – reichlich Zeit, sich dann um Anjo zu kümmern.
Warte! Du hast vergessen, was das Vermächtnis sagt: Hüte dich davor, in der Unterkunft des Himmels zu lagern. Sie ist nicht für uns. Wir sind Menschen, sie sind Götter. Götter sind wie Menschen, eifersüchtig wie Menschen, und Nähe ruft ihre Verachtung hervor. Der Tod unserer Linie würde den Göttern sehr gut gefallen. Er kann nur in ihrer Behausung erfolgen.
Yoshi war plötzlich von Furcht erfüllt. Er konnte die Einladung nicht ablehnen. »Danke«, sagte er und verneigte sich.
Zur Mittagszeit sah der Shishi von seinem Posten gegenüber den Toranaga-Kasernen müßig zu, wie die vierzig Samurai und Bannerträger aus dem Tor kamen und die Straße in Richtung auf das Osttor des Palastes hinuntergingen. Der übliche mittägliche Wachwechsel. Alle trugen Speere, Schwerter und Regenumhänge sowie breite, konische Regenhüte aus Stroh.
Der Shishi gähnte und zog sich den eigenen Umhang enger um die Schultern; ein leichter Regen setzte ein. Er schob seinen Stuhl unter die Plane eines Straßenstandes, in dem Nudeln, Suppe und Tee feilgeboten wurden und der einem Sympathisanten gehörte. Bald würde seine eigene Ablösung eintreffen.
Ehe er sich aus Kyōto davongeschlichen hatte, hatte ihr Führer Katsumata die ständige Überwachung der Hauptquartiere von Toranaga und Ogama angeordnet. »In dem Augenblick, in dem eine Möglichkeit besteht, einen von ihren Männern anzugreifen – das muß innerhalb ihrer Mauern geschehen und eine vernünftige Erfolgschance bieten –, tragt sofort einen Ein-Mann-Angriff vor. Ein Mann, nicht mehr, denn wir dürfen keine Shishi mehr verlieren. Ein willkürlicher Angriff ist unsere einzige Rachemöglichkeit.«
Am Tor blieben mehrere Träger, die Körbe mit frischem Fisch und frischem Gemüse trugen, an der Sperre stehen. Aufmerksame Wachen durchsuchten sie sorgfältig und winkten sie dann durch.
Der junge Mann gähnte wieder. Keine Chance, sich durch den Kordon zu schleichen. Er fragte sich kurz, ob es dem Mädchen gelungen war, hineinzugelangen und sich zu postieren, wie es mit Katsumata abgesprochen war. Eeee, ein Wunder, daß diese drei durch den Tunnel gekommen waren, ein Wunder. Aber wo sind sie jetzt? Seit ihrer wunderbaren Flucht hatte man nichts von ihnen gehört. Was spielt das für eine Rolle? Sie müssen sicher sein, wie wir, wir haben einflußreiche Gönner. Und werden uns später neu sammeln. Wir werden uns rächen. Sonno-joi wird kommen!
Er sah die Wachen um die Ecke biegen und verschwinden, jetzt war er müde, aber der Gedanke an seine wartende Geliebte vertrieb den größten Teil seiner Müdigkeit.
Die Shōgunats-Patrouille erreichte das Osttor. Ein niedriger Kasernenbau für die Wachen schmiegte sich zu beiden Seiten des Tores an die Mauern, in dem, falls nötig, fünfhundert Männer und Pferde untergebracht werden konnten. Das Tor war sechs Meter hoch und bestand aus schwerem, eisenverstärktem Holz mit einer viel kleineren Tür an einer Seite, die offen stand.
Für einen Augenblick mischten sich die neuen Wachen lärmend mit den alten. Alle waren gut eingemummt. Offiziere inspizierten Männer und Waffen, die alte Wache begann Aufstellung zu nehmen, und ein Offizier und ein Ashigari, ein Fußsoldat, trotteten über die Straße. Der Regenschauer hörte auf, schwach brach die Sonne durch die Wolken.
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