Noble House 02 - Gai-Jin
Vergangenheit habe ich so oft…«
»Keine Sorge«, sagte Marlowe rasch. »Wenn Sie es nicht wissen, gilt der Aberglaube nicht. Stimmt’s, Malcolm?«
»Ja, Sie haben wieder recht. Ich würde gern einen Toast auf John Marlowe ausbringen, Angélique, Captain der Royal Navy, Gentleman und der beste Freund, den wir haben!«
Lebhafte Gespräche und Lachen erfüllten die kleine Kajüte, und dann verkündete Lloyd, an Deck sei alles bereit. Ein letzter zärtlicher Kuß zwischen den beiden Verlobten, dann waren sie oben und standen Hand in Hand da.
Das Schiff lag im Wind, die Segel und Spieren bebten. Die Mitglieder der Besatzung, die entbehrlich waren, hatten sich herausgeputzt und auf dem Achterdeck Aufstellung genommen, wo Angélique und Malcolm vor dem Kapitän standen, der rechts und links von einer Ehrengarde aus zwei Marines flankiert war. Marlowe öffnete das Buch mit den Vorschriften der Navy an der richtigen Stelle, winkte dem Navy-Hornisten, der einen Fanfarenstoß hören ließ, und dem Bootsmann, der in seine Pfeife blies. Alle nahmen Habacht-Stellung ein. »Wir sind hier versammelt als Zeugen der Trauung dieser beiden Personen im Angesicht Gottes…«
Sie achteten nicht auf den Wind, der aufgefrischt hatte. Am Horizont standen Nimbostratuswolken, noch nicht bedrohlich, aber potentiell gefährlich. Über ihnen war der Himmel noch klar, und Marlowe fragte sich kurz, ob das Wetter ein Omen sei. Noch kein Grund zur Beunruhigung, dachte er. Die Zeremonie war schnell vorüber, merkwürdig schnell für sie alle, für Struan fast enttäuschend schnell. Er hatte den Siegelring von seinem kleinen Finger als Trauring an ihren Finger gesteckt. Er war ihr zu groß, aber sie hielt ihn sicher fest und starrte ihn ungläubig an. »Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau.«
Als sie sich küßten, ließ man sie dreimal hochleben, und Marlowe rief laut: »Eine Extraration Rum austeilen!« Das war der Anlaß zu weiteren Jubelrufen.
»Mrs. Struan, darf ich Ihnen als erster gratulieren?«
Leidenschaftlich warf Angélique ihm die Arme um den Hals, während ihr Freudentränen über die Wangen liefen. »Danke, danke!«
»Keine Ursache«, sagte Marlowe verlegen und schüttelte Struan die Hand. »Glückwunsch, alter Junge. Warum gehen wir nicht…« Eine kurze Bö ließ die Segel knattern. »Warum gehen Sie beide nicht nach unten; ich komme in einem Augenblick nach«, sagte er, wandte sich ab und vergaß sie, da nun sein Schiff seine Aufmerksamkeit erforderte. »Vom Wind abfallen, Nummer Eins. Unter Segeln Kurs auf Yokohama, bis ich weitere Befehle gebe. Zum Festmachen fahren wir unter Dampf – es könnte Regen geben. Signalgast, geben Sie mir Ihr Nachrichtenblatt. Wir sind in Reichweite des Flaggschiffs; setzten Sie diese Meldung ab.«
Edward Gornt saß im Erkerfenster des Brock-Building, die Füße bequem auf einen Stuhl gelegt, und beobachtete müßig die Bucht. Die Wolkenränder hatten sich ausgebreitet und verhießen Sturm, obwohl sie um diese Jahreszeit auch schnell wieder verschwinden konnten. Hinter ihm saß Norbert Greyforth an seinem mit Papieren überladenen Schreibtisch. Sie hatten die Pearl unter Segeln am Horizont verschwinden sehen, dem aber keine besondere Bedeutung beigemessen. »Vermutlich gehört das zu ihrer Probefahrt«, hatte Gornt gemeint. »Kann mir noch immer nicht denken, was es an Bord so Wichtiges geben könnte.«
Norbert hatte genickt, insgeheim amüsiert, und sich wieder der Prüfung und Unterzeichnung von Dokumenten und Listen zugewandt. Ein Frachtschiff von Brock’s lag im Hafen und sollte in wenigen Tagen absegeln; der Rest seiner Ladung aus Japan mußte verbucht werden: zwanzig Pfund Seidenraupeneier für den französischen Markt – dreißig- bis fünfzigtausend Eier pro Unze –, Rohseidenballen, Seidenstoffe für den englischen Markt, Lackwaren, Fässer mit Saké, den sie auf dem englischen Markt einzuführen versuchten und der auch für die Japaner auf den Philippinen bestimmt war, billige Töpferwaren als Ballast, Kohle – alles, was einen Markt finden konnte, und dazu die Reste der für den Heimathafen bestimmten Fracht, die nicht hatten verkauft werden können und auf der Rückreise gehandelt würden. Ein paar Kanonen, in besonderen Fällen Opium.
»Zigarre?« fragte Gornt.
»Danke.«
»Ich habe mich mit McFay verabredet, um die letzten Vereinbarungen für morgen zu treffen, Sir.«
»Gut.« Norbert blies eine Rauchwolke aus und unterschrieb die letzten Dokumente. Er läutete.
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