Noble House 02 - Gai-Jin
minderjährig und das Mädchen auch… ich kann’s einfach nicht riskieren…« Plötzlich fiel ihm etwas ein, und er blickte in Richtung Küste. »Es sei denn, ich setze mich mit Ketterer in Verbindung. Ich werde ihn um Erlaubnis bitten.«
»Wenn Sie das tun, werden Sie bei ihm für immer das Gesicht verlieren. Wenn er wollte, daß Sie es machen, hätte er es klar und deutlich gesagt.«
Marlowe erwiderte Malcolms Blick. Dann las er noch einmal den genauen Wortlaut der Nachricht des Admirals und stöhnte. Struan hatte recht. Allmächtiger Gott, warum hab ich die beiden nur eingeladen, an Bord zu kommen? Er erinnerte sich, daß sein Vater ihm immer eingetrichtert hatte, in der Navy kommandiere man sein Schiff nach Regeln und Vorschriften, nach dem verdammten Buch, es sei denn, man wäre jemand wie dieser verfluchte Nelson! »Tut mir leid, alter Junge. Nein.«
»Sie sind unsere letzte Hoffnung. Und jetzt unsere einzige.«
»Bedaure, nein.«
Struan seufzte, bewegte vorsichtig die Schultern und spielte seinen Trumpf aus. »Angel!« rief er laut, und sofort kam sie mit Lieutenant Lloyd zurück. »Angel, wie würde es dir gefallen, heute zu heiraten, gleich jetzt?« sagte er. Er liebte sie so sehr. »John Marlowe kann die Trauung vornehmen, wenn er will. Wie wär’s damit?«
Sie konnte das Wunder kaum fassen. Sie hörte nicht, wie Marlowe zu erklären begann, es täte ihm so leid, aber er könne das nicht tun. Die Leidenschaft ihrer Umarmung und ihres Kusses ließ ihn innehalten, und dann umarmte und küßte sie Struan, danach wieder ihn. »O ja, o ja… John, wie wundervoll, Sie werden es tun, nicht wahr, o danke, danke, wie wundervoll, bitte, bitte, bitte…« Sie bat und flehte mit weiteren unwiderstehlichen Umarmungen, und er hörte sich sagen: »Ja, natürlich, warum nicht, würde mich freuen…« Er sprach die verhängnisvollen Worte, so unbeteiligt er konnte, obwohl er eigentlich noch immer nein sagen wollte.
Der Rudergänger besiegelte die Angelegenheit mit einem freudigen Ausruf: »Ein dreifaches Hoch auf Captain Marlowe, wir haben eine Trauung an Bord!«
Das Mittagessen war ein ausgelassenes Fest vor der Trauung; nur zwei oder drei Gläser Wein, um die seltene Qualität zu prüfen und zu kosten, nicht allzu viele Speisen – der Rest wurde für später beiseite gestellt, denn alle waren jetzt zu aufgeregt und zu begierig, endlich anzufangen. Nachdem Marlowe einmal seine Entscheidung getroffen hatte, ließ er das Schiff unter vollen Segeln aufs offene Meer hinausfahren, denn er wollte, daß die Zeremonie denkwürdig und perfekt ablief.
Ehe er jedoch am Ende der Mahlzeit einen Trinkspruch auf die Verlobten ausbrachte, sagte er sehr ernst: »Gott allein weiß, ob die Trauung wirklich vor dem Gesetz gültig sein wird, aber in den Vorschriften der Navy finde ich nichts, was dagegen spricht oder eine Trauung verbietet, nur, daß beide Partner vor Zeugen förmlich bekunden müssen, daß sie freiwillig einverstanden sind; außerdem müssen sie eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, die von mir ins Logbuch des Schiffes eingetragen wird. Wenn wir erst wieder an Land kommen, wird die Hölle los sein, oder alle werden Ihnen gratulieren, und Sie müssen und sollten vielleicht eine kirchliche Zeremonie durchführen lassen – jedenfalls werden beide Kirchen Zeter und Mordio schreien.«
Angélique hörte den Unterton. »Aber es ist doch in Ordnung, John, oder nicht? Malcolm hat mir von Widerständen erzählt, und was Pater Leo betrifft …« Ihre Nase kräuselte sich vor Abneigung. »Sie werden doch keine Schwierigkeiten bekommen, oder?«
»Gott bewahre, der Admiral hat seine Erlaubnis gegeben«, erwiderte Marlowe großartiger, als er sich wirklich fühlte. »Genug geredet. Ich trinke auf Ihre Gesundheit und auf zukünftige Generationen!«
Angélique wollte aufstehen, um zu trinken, doch Struan hinderte sie daran. »Tut mir leid, Liebling, es bringt Unglück, wenn man auf die eigene Gesundheit trinkt. Das ist ein alter Brauch.«
»Oh, Verzeihung.« Ihr Ärmel streifte ein Glas und ließ es gegen ein anderes stoßen, was einen glockenähnlichen Klang erzeugte. Sofort streckten Marlowe und Struan die Hände aus.
Malcolm sagte: »Entschuldigung, Liebling, ein weiterer Aberglaube unter Seefahrern. Wenn du das Klingen eines Glases von selbst ersterben läßt, ertrinkt irgendwo auf der Welt ein Seemann.«
»Oh.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Ich wünschte, ich hätte das gewußt, denn in der
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