Noble House 02 - Gai-Jin
besessen, die Initiative zu ergreifen. »Captain Marlowe wird doch keine Schwierigkeiten bekommen, oder?«
»Captain Marlowe untersteht den Vorschriften der Navy.«
»Ja, natürlich, aber ich glaube, daß er nicht gegen die Vorschriften der Navy verstieß, indem er uns traute, Sir. Ich habe den entsprechenden Paragraphen vorher genau gelesen, und er enthielt keine Altersbeschränkung oder Erwähnung des Alters.«
»Die Vorschriften besagen aber auch, daß jede derartige Trauung, falls möglich, einer sofortigen Prüfung zu unterziehen ist. In diesem Fall ist das möglich.«
»Ich bin also verheiratet und auch wieder nicht. Ist es das, was Sie sagen wollen?«
»Ich weise nur darauf hin, Mr. Struan, daß bei der Navy alle ungewöhnlichen Geschehnisse einer Überprüfung zu unterziehen sind.«
Struan zwang sich zu einem Lächeln. »Mit Recht. Meine…« Er hätte beinahe ›Auffassung‹ gesagt, benutzte dann aber mit Bedacht ein anderes Wort. »… Ich habe den Befehl so verstanden, Sir, daß Sie ihm die Erlaubnis gaben.«
Ketterer zog eine Augenbraue hoch. »Captain Marlowe hat Ihnen einen versiegelten Befehl von mir gezeigt?«
»Wie ich es verstanden habe, Sir, gab der Befehl ihm eine bedingte Erlaubnis, Sir – ich gestehe, daß ich mir große Mühe gegeben habe, den genauen Wortlaut zu erfahren und ihn davon zu überzeugen, daß es sich um eine bedingte Erlaubnis handelte.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte der Admiral trocken.
»Es war also eine bedingte Erlaubnis?«
»Mein Befehl war deutlich formuliert: Sollten Sie um eine besondere Gunst bitten, durfte er sie gewähren, falls er das wünschte. Haben Sie nicht gestern abend erwähnt, Sie wollten außer Sichtweite des Landes segeln? Ihre besondere Bitte hätte ja auch nur das betreffen können – er hatte nämlich Befehl, seine Versuche in Sichtweite des Flaggschiffs durchzuführen.«
Struan gab sich große Mühe, Ruhe zu bewahren. Er spürte das nahende Verhängnis. »Ja, Sir. Ja, vielleicht haben Sie das gedacht. Falls es ein Mißverständnis gegeben haben sollte, dann lag das an mir und nicht an Captain Marlowe.«
»Ich nehme das zur Kenntnis, Mr. Struan.«
Malcolm hatte den älteren Mann genau beobachtet, denn er wollte herausfinden, wohin der Admiral steuerte; er fürchtete nun, dies sei eine Fortsetzung des Katz-und-Maus-Spiels. Hat er mich schon wieder in den Krallen – werde ich mich nie daraus befreien?
»Darf ich fragen, Admiral, warum Sie Captain Marlowe nur eine bedingte Genehmigung erteilt haben?« Malcolm versuchte, gelassen zu bleiben, sagte sich immer wieder, daß er verheiratet war, bis die Trauung für ungesetzlich erklärt wurde. »Gestern abend hätte ich nicht gedacht, daß Sie das tun würden.«
In der Nacht hatte Ketterer der Gedanke an Consuela nicht losgelassen. »Gib dem jungen Senhor eine Chance, Charles«, hatte sie mit ihrem liebreizenden Akzent gesagt, und in seiner Erinnerung war sie so sinnlich gewesen wie in Wirklichkeit. »Wir bekamen nie eine Chance, warum also nicht ihm eine geben – erinnere dich, du warst nicht viel älter als er. Durch ihn bist du ein riesiges Stück vorwärtsgekommen, er wird sein Versprechen sicher halten. Warum nicht großzügig sein – so großzügig, wie unsere Eltern und deine feige Admiralität nicht waren? Er ist so verliebt, Charles, wie du es warst, aber anders als du ist dieser junge Senhor schon von der grausamen Hand Gottes getroffen worden…«
Er war aufgewacht, und ihre Worte hatten ihm noch immer in den Ohren geklungen, und die Erinnerung an die Art, wie sie seinen Namen aussprach, griff ihm nach all den Jahren noch ans Herz. Aber es ist nicht dasselbe, hatte er gedacht, und sein Herz hatte sich verhärtet. Die Struans sind Opiumschmuggler und Waffenhändler – ich werde meine toten Matrosen nicht vergessen. Tut mir leid, meine längst verlorene Liebste, aber die Heirat wird sofort für ungesetzlich erklärt werden – ich lasse Struan nicht vom Haken. Pflicht ist Pflicht.
Während er Struan jetzt betrachtete und daran denken mußte, wie er hereingehumpelt war, entschlossen, stark zu erscheinen, während Hoag und Babcott beide vertraulich bestätigt hatten, der Junge leide ständig unter Schmerzen und werde wohl kaum je wieder beschwerdefrei gehen oder reiten können, fielen ihm wieder Consuelas Worte ›die grausame Hand Gottes‹ ein.
Er seufzte. »Eine plötzliche Laune, Mr. Struan«, sagte er und entschloß sich, nachsichtig zu sein, »gepaart mit der
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