Noble House 02 - Gai-Jin
so wichtig? Der verdammte Captain der Royal Navy, Marlowe!« Norbert brauchte nur einen Augenblick, um Gornt alles zu erklären.
»Verheiratet?« platzte Gornt heraus.
»Hätte nie gedacht, daß Ketterer zustimmen würde, aber anscheinend hat er’s doch getan. Warum? Er gewinnt dadurch nichts.« Norbert wirkte verwirrt; dann lächelte er boshaft. »Es sei denn… es sei denn, er hätte Struan und Marlowe an Bord befohlen, um Marlowe aufs Kreuz zu legen und die Sache gleich wieder rückgängig zu machen – um Struan das Messer tiefer in den Leib zu bohren und ihn noch ein bißchen mehr zu quälen.«
»Kann er das denn?«
»Der Kerl kann machen, was er will, wenn die Wahrheit herauskommt«, sagte Norbert, spie in den Spucknapf und warf den Stummel seiner Zigarre hinterher. »Die gesamte Besatzung an Bord der Flotte ist verpflichtet, ihm zu gehorchen, und das tut sie!«
»Sie meinen, er könnte Befehle erteilen, die gegen das Gesetz sind?«
»Drücken wir es so aus: Sie müssen auf der Stelle gehorchen oder die Folgen tragen – und die reichen von der neunschwänzigen Katze über das Kielholen bis zum Hängen.«
»Wie konnten Sie sich ihm dann so… so offen widersetzen, Mr. Greyforth?«
»Weil Ketterer gesetzestreu ist – die Royal Navy züchtet solche Leute speziell dafür, daß sie den Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorchen –, vor allem aber, weil wir Wee Willie haben, der steht über ihm. Er ist unser eigentlicher Schutz vor Ketterer, dem General, den Japsen und jedem anderen verdammten Feind – aber das wird den jungen Struan nicht vor Ketterers Bösartigkeit schützen.«
»Also, Captain Marlowe, Mr. Struans besondere Bitte war also, außer Sichtweite des Landes zu segeln – und ihn mit Miss Angélique Richaud zu trauen?«
»Jawohl, Sir.« Marlowe stand stramm. Ketterer saß in der großen Kabine am Tisch. Neben ihm stand der Captain des Flaggschiffs. Dahinter stand sein Adjutant, der Flaggleutnant, ebenfalls wie erstarrt.
»Und Sie haben das getan, obwohl Sie wußten, daß beide minderjährig sind?«
»Jawohl, Sir.«
»Bitte schreiben Sie mir bis Sonnenuntergang einen Bericht, in dem Sie genau Ihre Gründe dafür schildern und auch den genauen Ablauf der Ereignisse. Wegtreten.« Marlowe salutierte und wollte gehen, als Ketterer sich dem Captain des Flaggschiffs zuwandte, einem wettergegerbten Mann, der für seine rigide Disziplin und seine Ehrfurcht vor den Navy-Vorschriften bekannt war. »Captain Donovan, vielleicht würden Sie die Rechtslage feststellen, ja?«
»Jawohl, Sir.« Die blauen Augen schauten gnadenlos.
»Gut, das wäre dann alles – für den Augenblick.« Das war das letzte, was Marlowe hörte, ehe er die Tür hinter sich schloß und das Gefühl hatte, sein Herz beginne wieder zu schlagen.
Struan wartete draußen im Vorraum. Zwei Marines standen argwöhnisch Wache. »Himmel, sind Sie zusammengestaucht worden?«
»Nein, überhaupt nicht.« Marlowe bemühte sich, ruhig zu klingen. »Der Admiral wünscht, wie es korrekt ist, einen schriftlichen Bericht, das ist alles. Ich kehre auf mein Schiff zurück. Bis später.« Ehe er sich davonmachen konnte, öffnete sich die Kajütentür, und Captain Donovan stürmte an ihnen vorbei. An der Tür sagte der Flaggleutnant: »Mr. Struan, der Admiral bittet Sie zu sich, wenn Sie so freundlich sein wollen.«
Struan humpelte in die Kajüte. Der Leutnant folgte ihm nicht, sondern schloß die Tür und wartete in Rufweite.
Ketterer bedeutete Struan, sich zu setzen. »Einerseits möchte ich Ihnen gratulieren«, sagte er mit grimmiger Förmlichkeit und streckte die Hand aus.
»Danke, Sir.« Struan nahm die Hand. Der Griff des Admirals war fest, aber seine Handfläche weich. »Und andererseits?«
»Andererseits sieht es so aus, als würden Sie Ihre Arbeit einschränken müssen, um Ihre Versprechungen halten zu können.«
»Sir?«
»Anscheinend haben Sie unter Ihren Kollegen viel Staub aufgewirbelt. Sir William wird mit Klagen überschüttet.«
»Wie ich schon sagte, werde ich mein Bestes tun.«
»Sie müssen mehr als das tun, Mr. Struan.«
»Verzeihung, aber was bedeutet das, Admiral?«
»Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger als das, was Sie bereits versprochen haben.«
In der kurzen Stille beschloß Struan, nicht die Nerven zu verlieren und nicht zu vergessen, daß dieser Mann seine Ehe ermöglicht hatte – nein, nicht ermöglicht, berichtigte er sich, er hatte ›gestattet‹, daß sie ermöglicht wurde. John Marlowe hatte den Mut
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