Noble House 02 - Gai-Jin
Weise, nicht an Bord eines Schiffes. Sie hatte gehofft und gebetet, es aber nicht für möglich gehalten, da es so viele Hindernisse zu geben schien. Sie hatte geheiratet, aber nicht vor dem Angesicht Gottes. Ich habe einen Mann geheiratet, auf den ich es abgesehen hatte, den ich bewußt ermutigt habe, mir den Hof zu machen; den Mann, den ich anbete, den ich aber betrogen habe – die Vergewaltigung war nicht meine Schuld, die Abtreibung notwendig, die Ohrringe waren die einzige Möglichkeit, die Geheimhaltung der einzige Weg, um mein Leben zu schützen, aber dennoch ein Betrug. Diesen Mann, der mich mit aller Kraft liebt und der für mich alles riskiert, habe ich bestohlen und betrogen. Ich gehe beschmutzt in mein Brautbett, und dennoch…
Auf dem Rückweg an Land habe ich dreimal angefangen, es ihm zu sagen.
Das ist nicht wahr, ich habe angefangen, ihm einen Teil zu erzählen, den Teil mit den Ohrringen, aber jedesmal überwältigte mich seine Freude und ließ mich innehalten. Wahrheiten über seine Mutter und ihre Briefe sprudelten aus ihm hervor – und über Skye und Pater Leo und den englischen Priester, über den Admiral und Sir William –, wie man ihm den Weg versperrte, er aber am Ende doch gewonnen hatte… »Ich habe gewonnen, meine geliebte Frau. Ich habe dich gewonnen, und niemand kann dich mir wegnehmen…«
Gott ist mein Zeuge, ich weiß, es hätte ihn zerstört, wenn ich angefangen hätte, und wenn ich einmal angefangen hätte, hätte ich auch alles übrige verraten. Und dann wäre er gestorben, der arme, wunderbare Mann. Denn das ist er, wahrhaftig, der wunderbarste Mann meines Lebens. Ich weiß jetzt, daß ich ihn wirklich genauso liebe – keiner hätte sich solche Mühe gegeben, so viele Hindernisse beiseite räumen können. Ich liebe ihn, und dennoch…
Was muß ich tun?
Sie sah ihre Augen im Spiegel zurückstarren. Es gefiel ihr nicht, sich so ungeschützt zu sehen, und sie senkte den Blick. Sie sah ihre Finger, die den Ring in diese und jene Richtung drehten. Der Ring war aus Gold und schwer und trug das eingravierte Wappen der Familie Struan: den schottischen Löwen, umwunden vom chinesischen Drachen. Ist das das Gute mit dem Bösen, fragte sie sich und erschauerte plötzlich.
Um sich abzulenken, bürstete sie sich kräftig die Haare, aber es half nichts. Dunkle Gedanken stiegen wieder auf, schneller und immer schneller, alle – und er.
Ihr war, als müsse sie sie erbrechen. Sie fühlte sich schwach und preßte die Hände an die Schläfen. »Nicht… du mußt stark sein… du mußt stark sein, du bist allein, du mußt…« Ihr Stöhnen verstummte, als ein anderer Gedanke die Übelkeit vertrieb. »Aber ich bin nicht allein«, sagte sie laut. »Wir sind jetzt zu zweit, da ist Malcolm, und er braucht mich… zu zweit, Malcolm und ich, und Malcolm braucht mich, Malcolm, der mein Ehemann ist…«
Dann hörte sie ihn von unten rufen, so freudig: »Angel, beeil dich, wir müssen gehen… beeil dich!«
Ohne Hast stand sie auf, kniete vor der kleinen Madonna nieder und betete inbrünstig: »Mutter Gottes, vergib dieser Sünderin. Ich habe schwer gesündigt, ich bitte Dich um Vergebung. Ich habe schwer gesündigt und lebe eine Lüge, aber ich schwöre, ich werde diesem Mann die beste Ehefrau sein, solange es mir gestattet ist, denn ich liebe ihn von ganzem Herzen, wie ich Dich liebe…«
»Wie schön, dich zu sehen, Raiko-chan«, sagte Meikin lächelnd und kniete ihr gegenüber nieder. »Es ist so lange her.« Sie war die Mama-san des Hauses der Glyzinie und Koikos Herrin, und sie befanden sich in Raikos allerprivatestem Heiligtum.
»Ja, danke, du erweist mir eine große Ehre«, sagte Raiko, entzückt, ihre alte Freundin zu sehen, allerdings etwas überrascht, daß Meikin so eilfertig auf ihre Einladung zu einer geschäftlichen Besprechung reagiert hatte. »Bitte, bediene dich selbst von diesem bescheidenen Imbiß. Der Aal ist besonders delikat. Saké, bitte.« Meikin ließ sich von einer Dienerin einschenken. Die Geschäfte müssen gut gehen, dachte sie, und musterte die teure Ausstattung von Raikos Refugium.
»Die Zeiten sind zwar hart, doch zum Glück haben die Gai-Jin kaum eine Vorstellung vom Wert des Geldes, und so widerlich sie auch sein mögen, die Gewinne sind hoch und die Kosten von heißem Wasser und sauberen Handtüchern niedrig.« Die beiden Frauen lachten, beobachteten einander und warteten.
Meikin kostete von den delikaten Sushi und fing dann an, riesige Portionen zu
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