Noble House 02 - Gai-Jin
Tür, packte den Griff und hämmerte dann dagegen, als sei sie das Portal einer Kathedrale.
Doch keiner beachtete ihn. Alle eilten ins Büro wie eine Gruppe ungezogener Kinder und ließen sich dort in die Sessel fallen. Alle, bis auf Malcolm.
»Champagner, Chen. Danke, Vargas, wir sehen uns später«, fügte er hinzu, während man ihm gratulierte. Auf kantonesisch fügte er an Chen gewandt hinzu: »Mach die Flasche auf, du kleiner Heuchler.«
Jamie McFay schloß die Tür und sank in den letzten Sessel.
»Ayeeyah«, sagte Malcolm übermütig, »ich hätte nicht gedacht, daß es so sein würde. Phillip, nochmals Dank für die guten Wünsche, und Ihnen auch, Jamie. Alles in Ordnung, Angel?«
»Ja, danke.«
Tyrer sagte: »Das sind ja lauter wundervolle Neuigkeiten, Malcolm. Übrigens, könnten Sie so bald wie möglich Sir William aufsuchen?«
Die Art, wie er das sagte, langsam und sachlich, während alle wußten, daß er angeschnauzt worden war, bewirkte ein plötzliches Schweigen. Dann brachen alle in hysterisches Gelächter aus.
»Gern, morgen mittag«, sagte Malcolm.
Die Gläser waren schnell gefüllt, noch schneller geleert und erneut gefüllt, alle redeten durcheinander, keiner hörte zu. Leise wurde die Tür geöffnet. Vargas gab McFay ein Zeichen und flüsterte mit ihm.
Jamie nickte. »Ich bin gleich wieder da. Tai-Pan, würden Sie mich entschuldigen. Und es gibt eine Nachricht für Miss Ang… für Mrs. Struan: Mr. Seratard möchte Ihnen persönlich in der Gesandtschaft seine Glückwünsche aussprechen, sobald wie möglich, und der… der Priester möchte Sie beide für einen Augenblick sehen.«
»Jamie, trinken Sie zuerst aus. Vargas, richten Sie Seratard aus, er stünde an der Spitze der Liste, aber sagen Sie zuerst Pater Leo, er soll morgen nachmittag um fünf in mein Büro kommen.« Vargas verschwand. Malcolm sah den Schatten auf Angéliques Gesicht. »Ich werde mit ihm reden, Angel, du brauchst das nicht, alles wird gut werden. Sobald es dunkel wird, schleichen wir uns wieder an Bord des Kutters.«
»Des Kutters? Warum denn das, um Gottes willen, Malcolm?«
»Noch eine Überraschung. Wir dinieren an Bord der Prancing Cloud und bleiben über Nacht; morgen gibt es weitere Überraschungen, und wir müssen unsere Flitterwochen planen. In einer Stunde brechen wir auf. Du brauchst dich nicht umzuziehen, ich habe Ah Soh ein paar Sachen für dich einpacken lassen. Sie sind schon an Bord.« Zu Jamie sagte er: »Sie müssen gehen? Was ist los?«
»Ich habe eine Verabredung mit Gornt, die ich über all der Aufregung vergessen hatte. Er wartet in meinem Vorzimmer. Er hat Vargas gebeten, Ihnen beiden seine und Norberts Glückwünsche auszusprechen.«
»Danken Sie ihm auch von mir, Jamie«, sagte Angélique.
»Natürlich, Mrs. Struan.« McFay versuchte, sich an den Klang dieser letzten beiden Worte zu gewöhnen, aber es fiel ihm schwer. Der Name beschwor für ihn Tess Struan herauf, und im Augenblick wollte er nicht an sie denken. Als er von der Heirat gehört hatte, waren ihm die Gründe für Malcolms Brief an den Guardian und seine Ankündigung am Abend zuvor klargeworden und auch der genau abgestimmte Zeitpunkt für das Duell.
Verheiratet! O mein Gott!
Für Malcolm hatte das unabsehbare Folgen. Für ihn selbst spielte es keine Rolle, da er nun seinen Frieden mit Malcolm und mit sich selbst gemacht hatte. Mit Tess Struan würde er wohl nie Frieden schließen, denn Tess hatte die Rachsucht ihres Vaters geerbt, sein rücksichtsloses Bedürfnis nach Vergeltung. Er war Zeuge gewesen, wie sie damals den Bootsmann traf, der für das gekenterte Schiff verantwortlich war, mit dem die Zwillinge und ihr zweiter Sohn ertrunken waren. Sie hatte ihn wegen Mordes anklagen lassen und verlangt, daß er gehängt werde. Der Coroner hatte ihn der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden und ihn zu zehn Jahren Zwangsarbeit in dem Hongkonger Gefängnis verurteilt, die der Mann niemals überleben würde. Fahrlässigkeit? Nein, nicht wirklich, hatten McFay und die meisten anderen damals gedacht. Es war ein unglücklicher Zufall, da der Sturm so plötzlich aufgekommen war. Aber sie war Tess Struan vom Noble House. Der eigentliche Fehler des Bootsmanns, dachte er traurig, bestand darin, daß er lebte und die Kinder tot waren.
»Angélique«, sagte Struan gerade, »warum machst du dich nicht ein bißchen frisch? Ich werde dasselbe tun, und wir brechen in einer Stunde auf – ich muß nur noch ein paar Dinge mit Jamie
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