Noble House 02 - Gai-Jin
Nähe.
»Darf ich Ihnen noch einmal sagen, wie leid mir all das tut? Wenn ich mit irgend etwas behilflich sein kann, brauchen Sie es nur zu sagen, Ma’am.«
»Ich weiß, danke, Edward. Ja, Sie können behilflich sein, wir alle brauchen Freunde. Ich bin froh, daß die Untersuchung glatt verlaufen ist – Sie sollten einen Orden bekommen. Es war so tapfer von Ihnen, ich möchte Ihnen für Jamie danken, ich wüßte nicht, was ich ohne ihn machen würde.« Im Kamin brannte ein Feuer, und die Vorhänge aus feiner Thai-Seide schlossen die Nacht aus. Chen ging hinüber zu dem Eiskübel mit der geöffneten Flasche. »Mein Mann sagte, daß Sie gern Champagner trinken.«
»Ja, Ma’am, gewiß, das stimmt«, sagte Gornt und dachte an die Untersuchung und an den himmlischen Urteilsspruch, der das gefährliche Kapitel Norbert beendet hatte.
Angélique gab Chen ein Zeichen, und dieser schenkte zwei Gläser voll.
»Doh je«, danke, sagte Gornt und nahm sein Glas entgegen.
Chen starrte ihn an, als habe er nicht verstanden; er verachtete diesen unverschämten fremden Teufel um so mehr, als er es gewagt hatte, eine zivilisierte Sprache zu sprechen.
»Chen, du warten draußen. Wenn du gebraucht wirst, ich läute Glocke, heya?« Angélique wies auf die Silberglocke auf dem Beistelltisch.
»Ja, Missee.«
Sie sah ihn an. »Tai-tai!«
»Ja, Missee Tai-tai.« Chen ging, erfreut über kleine Siege. Die Dienerschaft hatte eine Konferenz einberufen, der er vorgesessen hatte. Ah Tok, deren Sinn verwirrt war, hatte verlangt, sie sollten einen Wahrsager benutzen, um den bösen Blick auf diese ›Besitzerin einer todgefüllten Öffnung‹ zu werfen, aber er hatte gesagt: »Nein, das können wir nicht – und es ist nicht so. Der Tod des Masters war nicht ihr Werk. Der Master hat sie geheiratet und uns in ihrer Gegenwart angewiesen, sie Tai-tai zu nennen. Unser Kompromiß besteht darin, daß wir sie zuerst ›Missee‹ nennen, dann ›Missee Tai-tai‹, bis die Angelegenheit vom Erlauchten Chen geregelt wird, dem ich einen dringenden, ausführlichen Bericht geschickt habe, der sich bereits an Bord der Prancing Cloud befindet.«
»Salut, Edward.«
»Auf Ihr Wohl, Ma’am!«
Sie nahm einen winzigen Schluck, er trank genüßlich.
»Champagner weckt meine Lebensgeister«, sagte er und wünschte sogleich, er hätte andere Worte gewählt. »Ich habe ihn mir nie leisten können, höchstens zu festlichen Anlässen.«
»Ich mag Champagner auch gern, aber nicht heute abend. Allerdings werden Sie bald in der Lage sein, sich soviel zu leisten, wie Sie wollen, nicht wahr? Mein Mann sagte mir, Ihre Geschäfte nähmen einen ungeheuren Aufschwung und Sie hätten viele Geheimnisse, die Sie miteinander teilen könnten – zum beiderseitigen Nutzen.«
»Hat er das gesagt?« Gornt fühlte sich überrumpelt, denn er und Malcolm Struan hatten vereinbart, niemandem davon zu erzählen. Norbert? Norbert zählte nicht, das war nur ein weiterer Bestandteil des Plans, um den Feind zu verwirren, und Norbert war immer ein Feind gewesen. »Geheimnisse?«
»Er sagte mir, er habe Sie gern und vertraue Ihnen, wie ich es tue. Sie seien ein Mann, der Geheimnisse gut wahre und der den Wert alter Freunde begreife – im chinesischen Sinne.«
»Das ist richtig. Auch ich habe ihn gemocht und ihm vertraut.«
»Jamie sagte, Sie hätten eine Passage auf der Prancing Cloud gebucht.«
»Ja, das stimmt, Ma’am.«
»Mein Mann hat gesagt, Sie wollten ihm eine besondere Information geben, wie man Brock’s ruinieren kann. Sie sollten sie ihm gestern morgen nach dem… war das erst gestern? Es scheint ein Leben lang her zu sein – und für Malcolm ist es das ja auch. Armer Malcolm.«
Er seufzte, weil sie ihm leid tat. »Ja. Darf ich sagen, daß Sie sich verändert haben, Ma’am? Sie sind anders. Ohne unverfroren oder gefühllos sein zu wollen – vielleicht darf ich sagen, daß die Veränderung Ihnen sehr gut steht.«
»Mir wäre es tausendmal lieber, nicht verändert zu sein und dafür meinen Mann noch zu haben.« Ihre Offenheit überraschte sie selbst, obwohl sie wie Malcolm Gespräche mit Gornt immer einfach gefunden hatte. »Was die Veränderung betrifft, weiß ich noch nicht genau, ob sie mir gefällt. So schnell erwachsen zu werden ist, ich weiß das richtige Wort nicht, ist schmerzhaft, angsterregend.« Sie stand auf und füllte sein Glas nach. Dann stellte sie den eisgefüllten Champagnerkübel auf den Tisch, mehr in seine Nähe.
»Danke«, sagte er und war sich
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