Noble House 02 - Gai-Jin
jedesmal, aber ich bin überzeugt, daß dieser Kretin nicht wortgetreu übersetzt – weder das, was Sie sagen, noch das, was die Japaner sagen.«
»Verdammt noch mal, das wissen wir, ist doch noch nie anders gewesen! Bitte, machen Sie weiter.«
Johann übersetzte wortgetreu. Der japanische Dolmetscher errötete, bat um Erklärung des Ausdrucks ›unverzüglich‹ und lieferte sodann zur Vorsicht eine höfliche, angemessene, annähernd richtige Übersetzung, die er für akzeptabel hielt. Aber selbst jetzt sog der Gouverneur über soviel Unhöflichkeit hörbar den Atem ein. Das Schweigen wuchs. Seine Finger trommelten einen ununterbrochenen, verärgerten Wirbel auf seinen Schwertgriff, dann stieß er drei, vier kurze Wörter hervor. Die Übersetzung war lang.
Johann erklärte munter: »Ohne diese ganze merde, der Gouverneur sagt, er werde Ihre ›Bitte‹ zur angemessenen Zeit an die angemessenen Stellen weiterleiten.«
Sir Williams Gesicht rötete sich deutlich, das des Admirals und das des Generals noch heftiger. »Aha, meine ›Bitte‹, eh? Sagen Sie den Mistkerlen genau: Das ist keine Bitte, das ist eine Forderung! Und sagen Sie ihnen außerdem: Wir fordern unverzüglich eine Audienz beim Shōgun in Edo in drei Tagen! Bei Gott, drei Tagen! Und ich werde, verdammt noch mal, mit einem Schlachtschiff vorfahren!«
»Bravo!« stimmte Graf Sergejew leise zu.
Johann hatte das Spiel ebenfalls satt und verlieh den Worten eine fein geschliffene Schärfe. Der japanische Dolmetscher hielt den Atem an und stieß hastig eine Flut von bissigem Holländisch hervor, die Johann liebenswürdig mit zwei Worten erwiderte, auf die ein unvermitteltes, entgeistertes Schweigen folgte.
»Nan ja? Was ist?« erkundigte sich zornig der Gouverneur, der die Feindseligkeit der anderen wohl erkannte und die eigene ebenfalls nicht verbarg.
Sofort begann der verstörte Dolmetscher mit einer entschuldigenden, abgeschwächten Version, die den Gouverneur nichtsdestoweniger zu einem Ausbruch von Drohungen veranlaßte, die der Dolmetscher in einer Form übersetzte, von der er glaubte, die Fremden wollten sie hören, um dann, noch immer erschüttert, abermals zu lauschen und zu dolmetschen.
»Was sagt er, Johann?« Sir William mußte die Stimme heben, um sich verständlich zu machen, der Dolmetscher antwortete dem Gouverneur und den Bakufu-Beamten, die sich wiederum miteinander und mit ihm unterhielten. »Was zum Teufel sagen die?«
Johann war jetzt wirklich glücklich – er wußte, daß die Sitzung bald vorüber sein würde und er zum Mittagessen und auf einen Schnaps an die Long Bar zurückkehren konnte. »Ich weiß es nicht, nur daß der Gouverneur wiederholt, er könne nichts weiter tun als Ihre Bitte etc. an die zuständigen Stellen etc. weitergeben, aber der Shōgun werde Ihnen diese Ehre bestimmt nicht erweisen etc. weil es gegen ihre Bräuche verstößt etc. …«
Sir William schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. In der erschrockenen Stille deutete er erst auf den Gouverneur, dann auf sich selbst. »Watashi… ich…«, dann deutete er zum Fenster hinaus in Richtung Edo. »Watashi gehe Edo!« Er hob drei Finger. »In drei Tagen mit einem verdammten Schlachtschiff!« Damit erhob er sich und stürmte hinaus. Die anderen folgten.
Er ging über den Korridor zu seinem Arbeitszimmer und dort zu der Reihe geschliffener Kristallkaraffen und nahm sich einen Whisky. »Will mir jemand Gesellschaft leisten?« erkundigte er sich munter, als ihn die anderen umdrängten. Automatisch schenkte er Scotch für die Admirale, den General und den Preußen ein, Rotwein für Seratard und einen Wodka für Graf Sergejew. »Ich glaube, das verlief nach Plan. Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat.«
»Ich dachte, Sie kriegen gleich einen Schlaganfall«, sagte Sergejew, der sein Glas leerte und sich noch einmal einschenkte.
»Ganz und gar nicht. Mußte die Sitzung nur mit einer gewissen Dramatik abschließen.«
»Dann heißt’s also Edo, in vier Tagen?«
»Gewiß, mein lieber Graf. Admiral, Sie werden das Flaggschiff zum Auslaufen bei Morgengrauen bereitmachen, innerhalb der nächsten Tage alles in Ordnung bringen, die Decks für den Einsatz räumen und sämtliche Geschütze laden lassen. Setzen Sie Drill für die gesamte Flotte an, und geben Sie Befehl, alles bereitzumachen, um uns, falls nötig, in die Schlacht zu folgen. General, fünfhundert Rotröcke sollten als Ehrengarde genügen. M’sieur, möchte das französische Flaggschiff sich uns
Weitere Kostenlose Bücher