Noble House 02 - Gai-Jin
Brock’s in Yokohama auf alles verpflichtete, was auf dem entsprechenden Papier stand.
Unnötig zu sagen, daß alle möglichen belastenden Informationen jetzt niedergeschrieben, rückdatiert und dann aufgefunden oder heimlich in den Stapel geschoben werden konnten. Wer würde einen solchen Brief anfechten, nachdem Greyforth nun tot war?
Beide kannten den Wert des Chops.
Morgan und Tyler Brock hatten ganz auf diesen komplizierten, aber unglaublich einfallsreichen Plan gesetzt, den Zuckermarkt von Hawaii in die Hand zu bekommen – im Prinzip war er bereits in die Tat umgesetzt. Sie hatten die Zuckerernte im voraus gegen Baumwolle aus dem Süden eingetauscht, die sie legal an garantierte französische Interessenten vorverkauft hatten – historische Verbündete der USA und in diesem Falle aufgrund gewisser Kongreßhilfen und Sicherungen nicht der nördlichen Blockade unterworfen –, um sie danach legal von Frankreich nach Genua zu verschiffen und von da aus zu den Baumwollspinnereien in Lancashire, die fast kein Rohmaterial mehr besaßen und diese Lieferung dringend brauchten.
Ein ganz kleines Risiko: Wenn die Unionsregierung den endgültigen Bestimmungsort erfuhr – Großbritannien war offiziell neutral, die meisten Briten waren aktiv für die Konföderierten – und dies öffentlich bekannt wurde, würden sie mittels Abfangen den Export verhindern. Doch diese Gefahr war klein wegen der hochrangigen Billigung der französischen Verbindung, die sich durch Gornts Papiere erstmalig als Firmenmantel von Brock’s erwies: ein Eingreifen der Regierung war noch unwahrscheinlicher, weil ein beträchtlicher Anteil des Zuckers, der ebenfalls dringend benötigt wurde, gegen umgeleitete Unionswaffen eingetauscht werden sollte, die Brock’s unverzüglich nach Asien importieren würde. Die vorgesehenen Gewinne waren ungeheuer. Der Plan konnte unmöglich fehlschlagen, weil die Victoria Bank in Hongkong die Unterzeichnerin war.
Die Bank, die größte der Kolonie, hatte diese Unternehmung bereitwillig unterstützt, und zwar mit Zustimmung des zwölfköpfigen Aufsichtsrates, dem Tyler Brock angehörte; Anteile und Liquidität von Brock and Sons bildeten eine nominelle Nebenbürgschaft. Die Victoria war sozusagen die Hausbank von Brock’s. Der alte Brock war im Jahre 1843 einer ihrer Gründer gewesen und hatte die anderen Mitglieder gewählt – sämtliche Direktoren von Struan’s waren für immer aus dem Aufsichtsrat ausgeschlossen –, sich einen Anteil von vierzig Prozent vorbehalten und besaß die ständige Kontrolle von mindestens neun zu drei Stimmen. Während der Aufsichtsrat auf der internationalen Bühne Brock’s unterstützte, hatte er eingewilligt, Struan’s durch Wiederinbesitznahme all seiner am 30. Januar fälligen Schuldentitel zu vernichten – der Zeitplan und die fragwürdigen Methoden des heimlichen, langfristigen Erwerbs gingen ebenfalls aus Gornts Beweismaterial hervor.
Gornt hatte aufgeregt darauf hingewiesen, daß Brock and Sons zum erstenmal verwundbar waren – nie zuvor hatten sie die Kontrolle über ihre Firma als Nebenbürgschaft eingesetzt. Die Victoria Bank war der Schlüssel zur Büchse der Pandora. Der Aufsichtsrat war der Schlüssel zur Bank. Er mußte gestürzt und umgedreht werden, und am richtigen Tag mußte Tyler und Morgan die finanzielle Unterstützung entzogen werden, damit sie mittellos waren und nicht mehr über die notwendigen Gelder verfügten, um die Räder zu schmieren. Inzwischen mußten Beweise für den Plan und die Mitteilung, daß die Victoria Bank den Deal nicht länger unterstützte, auf schnellstem Wege per Clipper nach Washington in die richtigen Hände gebracht werden, die ein Eingreifen wahrscheinlich machten – ohne Rückendeckung der Bank gab es keinen Zucker, den man gegen Baumwolle oder Waffen eintauschen konnte. Doch dies mußte sofort geschehen, ehe die Kontrolle über die Stimmrechte der Bank neu hergestellt werden konnte.
Wie der Aufsichtsrat umgedreht werden konnte, war der entscheidende Angelpunkt von Gornts Plan.
Die Papiere enthüllten überaus peinliche Tatsachen über zwei Tyler freundlich gesinnte Aufsichtsratsmitglieder, die so schwerwiegend waren, daß ihre Stimmen demjenigen zufallen würden, der die entsprechenden Dokumente besaß. Damit stand es sieben zu fünf. Weitere Tatsachen über einen anderen Mann, weniger schädlich und fragwürdig, waren ebenfalls belegt. Möglicherweise lief es also auf sechs zu sechs hinaus.
Gornts Idee bestand
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