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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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gezeichnet waren. »O mein Gott!«
    Poncin lachte laut heraus. »Aha, ich habe Ihnen wohl zu einem neuen Vergnügen verholfen. Als Erotika sind sie einmalig, ich habe eine ganze Sammlung, die ich Ihnen gern zeigen werde. Einige werden shunga-eh, andere ukiyo-eh genannt – Bilder aus der Weidenwelt und der Schwimmenden Welt. Sind Sie hier schon in einem Bordell gewesen?«
    »Ich… ich, nein… nein, ich… noch, äh, noch nicht.«
    »Nun, in dem Fall – darf ich mich Ihnen als Fremdenführer andienen?«
    Jetzt, in der Nacht, erinnerte sich Tyrer an dieses Gespräch und daran, wie peinlich es ihm gewesen war. Er hatte vorzugeben versucht, ebenfalls ein Mann von Welt zu sein, zugleich aber ständig den ersten und oft wiederholten Rat seines Vaters vernommen: »Hör zu, Phillip, die Franzosen sind alle schlecht und nicht vertrauenswürdig, die Pariser sind der Abschaum Frankreichs, und Paris ist ganz ohne Zweifel der Sündenpfuhl der zivilisierten Welt – unzüchtig und vulgär!«
    Armer Papa, dachte er, er hat sich in so vieler Hinsicht geirrt, aber schließlich hat er zu Napoleons Zeiten gelebt und das Blutbad von Waterloo überstanden. So groß der Sieg auch gewesen sein mag, für einen zehnjährigen Trommelbuben muß es furchtbar gewesen sein, kein Wunder, daß er nicht vergeben will und nicht vergessen und die neue Ära akzeptieren kann. Macht nichts, Papa hat sein Leben, und so sehr ich ihn liebe und ihn für seine Taten bewundere, ich muß mir meinen eigenen Weg suchen. Frankreich ist heute fast unser Verbündeter – es kann nicht falsch sein, zuzuhören und zu lernen.
    Als er daran dachte, wie er an Andrés Lippen gehangen hatte, errötete er und schämte sich insgeheim, dieser Faszination erlegen zu sein.
    Wie der Franzose erklärte, waren die Bordelle hier, zumindest die besten von ihnen, Orte von großer Schönheit, und die Kurtisanen, die Damen der Schwimmenden Welt oder Weidenwelt, wie sie genannt wurden, bei weitem die besten, die er jemals erlebt hatte. »Es gibt natürlich Unterschiede, und in den meisten Städten treiben sich auch Straßenmädchen herum. Aber hier haben wir unser Freudenviertel, Yoshiwara genannt. Es liegt hinter der Brücke, außerhalb der Umzäunung.« Wieder dieses freundliche Lachen. »Wir nennen sie die Brücke zum Paradies. Ach ja, und Sie müssen wissen, daß… Oh, entschuldigen Sie, ich störe Sie bei Ihrem Einkauf.«
    »Aber nein, ganz und gar nicht«, hatte er sofort entgegnet, voll Angst, daß dieser Fluß der Informationen versiegen und diese seltene Gelegenheit vorübergehen würde, und in seinem blumigsten, liebenswürdigsten Französisch hatte er hinzugesetzt: »Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie fortfahren würden, wirklich, es ist so wichtig, so viel wie nur möglich zu lernen, und die Leute, mit denen ich es zu tun habe, sind… bedauerlicherweise keine Pariser, sondern meistens langweilig und ganz ohne die französische Weltgewandtheit. Um Ihre Freundlichkeit zu erwidern – dürfte ich Sie zum Tee oder Champagner im English Tea House einladen, oder vielleicht zu einem Drink im Yokohama Hotel – Mitglied im Club bin ich leider noch nicht.«
    »Zu freundlich von Ihnen. Ja, das wäre mir sehr recht.«
    Dankbar winkte er dem Geschäftsinhaber und bezahlte mit Poncins Hilfe das Buch, das erstaunlich billig war. Dann traten sie auf die Straße hinaus. »Was sagten Sie über die Weidenwelt?«
    »Daß überhaupt nichts Schmutziges daran ist, wie an den meisten unserer Bordelle und denen auf der ganzen Welt. Hier ist – genau wie in Paris, nur noch viel ausgeprägter – der Sex eine Kunstform, so delikat und außergewöhnlich wie die haute cuisine, die man als solche betrachten, praktizieren und genießen sollte, ohne… bitte entschuldigen Sie, ohne fehlgeleitete angelsächsische ›Schuldgefühle‹.«
    Instinktiv fühlte sich Tyrer getroffen. Sekundenlang war er versucht, den anderen zu korrigieren und zu sagen, daß es einen großen Unterschied gebe zwischen Schuldgefühlen und einer gesunden Einstellung zur Moral und den guten, viktorianischen Werten. Und wollte hinzufügen, daß die Franzosen leider Gottes niemals besonders viel Würde bewiesen hätten mit ihrem Hang zum lockeren Lebenswandel, der selbst so hochgestellte Aristokraten wie den Prince of Wales angesteckt hatte, der Paris ganz offen als seine Heimat betrachtete, ›eine Quelle tiefster Besorgnis in den höchsten englischen Kreisen‹, grollte die Times, › die Sittenlosigkeit der Franzosen kennt

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