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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gegenteilige Anordnung vorliegt, darf ich hinein.“
    „Warum denn solche Vorsichtsmaßnahmen?“
    „Mark nimmt hin und wieder andere Frauen mit hoch“, sagte sie gelassen, als die Tür sich schließlich öffnete.
    Noyes war noch nie zuvor in Kaufmanns Wohnung gewesen. Es war ein elegantes und geräumiges Apartment. Die Räume befanden sich entlang von strahlenförmigen Korridoren. Ein Robot mit konturlosem Gesicht und unförmigem Kopf näherte sich ihnen. „Wir sind gekommen, um Mr. St John zu besuchen“, sagte Elena.
    Der Robot führte sie in ein riesiges, dunkles Schlafzimmer, dessen Wände mit Brokattapeten bedeckt waren, die von Projektoren an den Fußleisten angestrahlt wurden. Grüne, kirschrote und violette Farbtöne tanzten an der Zimmerdecke. Auf dem Bett saß ein erschöpft aussehender junger Mann mit wasserblauen Augen, hellblondem Haar und bleicher Haut. Noyes blieb auf der Schwelle stehen.
    Verwirrt begriff er, daß er vor Paul Kaufmann stand.
    Es schien, als sei die Luft von einem elektrischen Ladungsaustausch erfüllt. Die wenig anziehende Gestalt auf dem Bett schien an Kraft und Intensität zu gewinnen, die ihr aus irgendwelchen inneren Reserven zufließen mußten. Die Augen leuchteten auf, der Kopf hob sich, das Kinn bekam einen energischen Zug. Über dem Bett hing ein Porträt von Paul Kaufmann in seinen mittleren Jahren. Ein Mann, der die Ausstrahlung eines römischen Imperiumsadlers besaß. Trotz des offensichtlichen Unterschieds in seinem Äußeren verfügte der Mann auf dem Bett plötzlich über die gleiche dominierende Erscheinung.
    „Ja bitte?“ sagte er. „Wer sind Sie?“ Die Stimme klang brüchig und eckig. Paul Kaufmann lebte erst ein paar Stunden in dem geborgten Körper und hatte ihn noch nicht völlig im Griff.
    „Ich heiße Charles Noyes. Und ich glaube, Elena Volterra kennen Sie bereits.“
    „Noyes? Charles Noyes von der Roditis-Versicherungsgesellschaft?“
    „Ganz recht“, sagte der Angesprochene. „Sie kennen mich?“
    „Es gehörte zu meinem Job, alles über die Roditis-Gesellschaft zu wissen. Nun, was wollen Sie hier? Wie sind Sie überhaupt hereingekommen? Roditis’ Leute haben hier nichts verloren.“
    „Ich habe ihn mitgebracht“, sagte Elena. „Er wollte Sie gerne sehen, und ich war ihm noch einen Gefallen schuldig.“
    „Dann nehmen Sie ihn jetzt wieder mit“, schnappte St. John/Kaufmann. Er wedelte mit der Hand, als wollte er damit die Entlassung andeuten. Aber seine Koordinationsfähigkeit war noch immer zu schwach entwickelt, und so sauste sein Arm weitausholend gegen ein Regal.
    Elena sah aus, als wollte ihr nichts mehr einfallen. So blieb sie erst einmal stocksteif auf ihrem Platz stehen.
    „Weg!“ befahl St. John/Kaufmann gereizt. „Raus hier. Raus hier! Ich muß ruhen. Ich habe viel durchgemacht. Wenn Sie eine Ahnung davon hätten, was es heißt, zu sterben und dann wieder aufzuwachen, in einen fremden Körper verschlagen zu werden …“ Seine letzten Worte gingen in einem unverständlichen Gebrabbel unter. Den Kaufmann-Dybbuk schien die Anstrengung des Sprechens erschöpft zu haben. Die strahlende Kraft und Energie verschwand wieder aus den Augen, als habe jemand einen Schalter herumgedreht. Er ruhte jetzt, um wieder an Kraft zu gewinnen.
    Voller Zweifel sagte Elena: „Wenn er dich nun gar nicht sehen will …“
    „Fünf Minuten wird er schon erübrigen müssen“, erklärte Noyes. „Hör mal, am besten wartest du draußen. Es dauert nicht lange.“
    Sie nickte und verließ das Zimmer.
    Noyes machte sich nichts vor. Elena wußte sicher genau, was er hier wollte. Aber sie würde ihn nicht verraten. Behutsam schloß er die Tür hinter ihr.
    Kaufmann/St. John sah ihn unfreundlich und voller Arroganz an. „Ich habe doch gesagt, Sie sollen gehen!“
    Noyes näherte sich dem Bett und sagte leise: „Nur ein paar Minuten, Mr. Kaufmann. Ich muß mit Ihnen reden. Verwirrt Sie die Rückkehr in die Welt eigentlich sehr? Sie dachten wohl, Sie müßten kämpfen, um ein Dybbuk zu werden, was? Und da händigt man Ihnen einfach so einen neuen Körper aus. Sie wissen wohl, daß es einige erregte Diskussionen darum gegeben hat, wer Ihr Bewußtsein tragen darf. Roditis war ganz scharf auf Sie. Aber Santoliquido hat ihn geleimt und Sie in diesen vakanten Körper stecken lassen. Meinen Sie nicht, daß es wesentlich interessanter gewesen wäre, in Roditis’ Kopf aufzuwachen?“
    Beim Sprechen kam Charles dem Bett immer näher.
    Paul Kaufmann starrte ihn

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