Noch Einmal Sollst Du Buessen
drehte das Gesicht weg und wich zurück.
„Hör auf!“, sagte sie scharf.
Er griff nach ihr und zog sie an sich. „Sag nicht Nein“, flüsterte er. Sein nach Alkohol riechender Atem verursachte ihr Übelkeit.
Sie bog angewidert den Kopf zur Seite. „Denk nicht, dass diese Macho-Masche bei mir ankommt.“
„Du liebst es doch, das weiß ich.“ Er presste sie fest an sich, und sein lüsterner Blick sandte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie spürte, wie er diesen Kampf genoss.
Außerstande, sich von ihm loszumachen, trat sie ihm mit voller Kraft auf den Fuß. „Lass mich los!“
Kent verzog schmerzhaft das Gesicht und ließ sie endlich frei. „Was zum Teufel ist in dich gefahren?“, fuhr er sie an. Er beugte sich hinab und rieb die Spitze seines Schuhs. „Ich dachte, wir könnten alles wieder in Ordnung bringen. Ist dieser Abend nicht ideal für eine Versöhnung? Dein Vater hat mir sein höchstes Vertrauen bewiesen. Der Bürgermeister, der Senator und alle anderen haben mir gratuliert, ich wollte meine Freude mit dir teilen, mit der Frau, die ich liebe. Und was bekomme ich?“
„Vielleicht bekommen Sie das, was Sie verdienen“, kam von hinten eine vertraute Stimme. Adam.
Das Blut schoss Marnie ins Gesicht. Große Güte! Wie viel hatte Adam von ihrem Streit mitbekommen?
Kent setzte seinen schmerzenden Fuß auf den Boden und drehte sich zu dem anderen Mann um. Die beiden waren äußerlich so verschieden wie ihre Charaktere. Adam, der einen halben Kopf größer als Kent war, hatte strengere Gesichtszüge und einen kräftigeren Körperbau. Seine ganze Haltung war leger und selbstsicher. Kent indessen sah militärisch proper aus. Kurz geschnittenes Haar, der Smoking tipptopp, das Rückgrat stocksteif.
„Ich dachte, Sie wären längst gegangen“, sagte er mit schneidender Stimme.
„Noch bin ich hier.“
Kent rückte an seiner tadellos sitzenden Krawatte und strich sich übers Haar. „Weiß Victor schon, dass Sie hier sind?“
Adam zuckte lässig die Schultern, aber sein Ausdruck blieb unbewegt. „Ich hoffe es.“
Einem Impuls folgend, stellte Marnie sich dichter neben Adam. Kent nahm es irritiert wahr und warf ihr einen Blick zu, der Bände sprach. „Was wollen Sie eigentlich, Drake?“ Er starrte Adam feindselig an. „Warum verschwinden Sie nicht endlich?“
„Nicht, bevor Victor mir nicht gesagt hat, ob er Gerald Henderson kennt.“
„Henderson?“, wiederholte Kent und machte dabei ein so ausdrucksloses Gesicht, dass es nur gestellt sein konnte. „Hat er nicht mal bei uns gearbeitet?“
Adam half ihm auf die Sprünge. „In der Buchhaltung.“
„Ich erinnere mich an ihn“, mischte Marnie sich ein, die nicht einsah, warum sie aus dem Gespräch ausgeschlossen wurde. „Er ist aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. Ich glaube, er hatte Asthma. Er musste aus dem feuchten Klima wegziehen und bekam einen Job in einem Hotel in San Diego.“
„Der Mann lebt nach wie vor in Seattle“, klärte Adam sie auf. „Geht fischen und genießt sein Leben. Wenn ich mich nicht irre, bezieht er eine Rente wegen Arbeitsunfähigkeit.“
Marnie blickte von einem Mann zum anderen. „Hat es mit dem Job in Kalifornien nicht geklappt?“
„Wen interessiert das?“, wischte Kent ihre Frage fort. „Henderson ist Geschichte.“
„Vielleicht“, sagte Adam in einem Ton, der Marnie aufhorchen ließ. In dieser Unterhaltung schwebte etwas mit, das unausgesprochen blieb. Aber was?
Kent schluckte. „Ich glaube nicht, dass die Sache Victor interessiert“, entgegnete er betont forsch.
„Auch nicht, wenn Gerald ihm einen Tipp über das verschwundene Geld geben könnte?“
„Was?“, fragte Marnie und hielt unwillkürlich den Atem an.
„Unsinn!“, fuhr Kent auf. „Woher soll Henderson wohl wissen …“
„Adam Drake?“ Judith Marx, Reporterin des „Seattle Observers“, die offenbar etwas von der Unruhe mitbekommen hatte, kam in den Bankettsaal und gesellte sich ungeniert zu der Gruppe. „Es überrascht mich, Sie hier zu sehen.“
Die Untertreibung des Jahres, dachte Marnie belustigt.
„Ich konnte mir dieses Ereignis unmöglich entgehen lassen“, erwiderte er locker.
„Kann ich das schreiben?“
„Nein!“, fuhr Kent dazwischen. Sein Gesicht war rot, und an seiner Schläfe pochte eine Ader. „Mr. Drake ist nicht eingeladen, und wenn Sie das Drucken, werde ich zum ‚Observer‘ gehen und mit John Forrester persönlich reden.“
„Unser Verleger legt Wert darauf, dass
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