Noch immer schwelt die Glut
Giacomi war dafür.
Nicht so Miroul, als er wiederkam.
»Wenn er zum Haus des Herrlichen gehörte«, sagte er, »wäre es Genugtuung, ihn zu töten, um ihnen zu vergelten, was sie uns zufügen wollten. Da der Schuft aber nur ein armer Schnapphahn ist …«
»Gesetz ist Gesetz«, sagte Giacomi. »Ohne Alizon wäre Pierre jetzt tot.«
»Ich meine das Gegenteil«, sagte Miroul. »Wenn ihn der Herrliche dem Profoß entreißt, wie er es schon oft mit Galgenstricken getan hat, ist er sein Getreuer auf Lebenszeit, und ein gefährlicher, weil er so dumm ist. Nein, Moussu: Frei oder tot. Das ist mein Ratschluß.«
Nun, nachdem ich das Schreiben aufgesetzt und Mérigots Aussagen niedergelegt hatte (ohne meine angebliche Vetternschaft zu erwähnen), beschloß ich den Text wie folgt:
»Als ich dem Chevalier de Siorac nun alles dies gestanden hatte und in Anerkenntnis, daß ich zu selbigem Unterfangen |216| durch Trug und Täuschung verleitet worden bin, vergab mir der Chevalier den Anschlag auf sein Leben, und da zum Glück kein Blut vergossen war und er als guter Katholik nicht wollte, daß das meine vergossen werde, so schenkte er mir die Freiheit unter der Bedingung, daß ich meinen Schiffergesellen vom Quai au Foin die ganze Wahrheit dieses Falles vermelde, und gab mir fünf Ecus, auf daß ich sie freihalte in seinem Namen sowie im Namen unseres natürlichen und legitimen Herrschers, König Heinrichs III., indem ich Gott und die gebenedeite Jungfrau bitte, uns alle in ihrem heiligen Schutz zu bewahren.«
Als der Schiffer dies hörte, fiel er mir zu Füßen und bat mich, indem er mir die Hände küßte, tausendmal um Vergebung und versicherte, er werde mir in Zukunft so dankbar und meiner Person so anhänglich sein, daß ich niemals, solange er lebe, meine Großmut bereuen müßte. Und während er dies sagte, zitterte sein ganzer starker Körper wie Espenlaub im Wind, obwohl er sich wenig zuvor Mirouls Degenspitze noch ohne jedes Wimpernzucken dargeboten hatte.
»Mérigot, ich gehe jetzt auf mein Landgut«, sagte ich, »aber sobald ich wiederkehre, lasse ich dich von meinem Miroul holen, welcher mein Sekretär ist (ob dieser Ernennung errötete Miroul über und über vor Glück), damit du mir berichtest, wie es um dein Leben steht. Sollte mein boshafter Vetter dich inzwischen am Quai au Foin aufsuchen …«
»Dann werf ich ihn kopfüber in die Seine«, sagte Mérigot, seine Fäuste schwingend.
»Aber ohne ihn zu ertränken«, sagte ich. »So, nun unterschreibe, Mérigot, falls du schreiben kannst.«
»Meinen Namen wenigstens«, sagte Mérigot, der dabei allerdings dicke Tropfen schwitzte, lag doch die Gänsefeder schwerer als ein Steuerruder in seiner Hand.
Hierauf nahm Miroul die Arkebuse, nachdem er die Lunte gelöscht hatte, Giacomi das Pferd, das am anderen Ausgang der Nadlerei wartete, womit meine Gefährten die ganze Beute der großen Schlacht davontrugen, und ich entließ meinen Gefangenen ohne Waffen, ohne Gaul, aber heilfroh, seinen Hals aus der Schlinge gerettet zu haben.
Daheim umarmte ich Angelina und meine Kinder, dann überließ ich es Giacomi, sich mit meiner Frau Gemahlin über |217| ihre Zwillingsschwester und die Hoffnungen auszutauschen, die jene ihm erweckt hatte, und zog mich mit Miroul in das kleine Kabinett zurück, wo ich schon Mosca empfangen hatte.
»Miroul«, sagte ich, »nimm Platz an meinem Tisch. Als mein Sekretär wirst du jetzt den Brief schreiben, den ich dir diktieren will.«
»Ha, Moussu!« sagte er, »das geht auf Kosten der Orthographie.«
»Nur keine Scheu, Miroul, schreib! Zuerst die Adresse: ›An Madame de La Vasselière, Hôtel de Montpensier, Paris‹.«
»Den Namen hab ich doch schon gehört?« sagte Miroul.
»Vielleicht in der Kapelle? Als du hinter dem Vorhang lauschtest?«
»Nosse velint omnes, mercedem solvere nemo«,
1 sagte Miroul, der sich in peinlichen Momenten gerne mit Zitaten aus der Klemme zog. »Weiter, Monsieur, wenn’s beliebt.«
»Schreib, Miroul: ›Madame, obwohl Ihr mir zu Mâcon einen Diener erdolchtet, ließ ich mich mit Euch auf einen Handel ein und gab Euch, wie versprochen, die Freiheit, welche Ihr sogleich nutztet, mir ein Pferd zu fünfhundert Ecus zu rauben, vorbei an der Nase meines zweiten Dieners …‹«
»An der Nase meines Sekretärs«, sagte Miroul.
»›… an der Nase meines Sekretärs. Doch damit nicht genug, versuchtet Ihr heute, mich erschießen zu lassen. Zum Glück für mich sah der Mann zu sehr nach vorn, anstatt
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