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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Gelder, meine Mauern über Leitermaß hochzuziehen, einen Turm zu bauen, der mir Sicht auf die Umgebung gewährte, und sogar einen unterirdischen Gang, der von meinem Anwesen in den Wald von Montfort-l’Amaury führte, durch welchen man in den Hochwald gelangen konnte, um notfalls Hilfe zu holen, sollte eine nichtswürdige Bande in feindlichem Sold sich meiner Mauern bemächtigen. Sogar eine |220| kleine Feldschlange kaufte ich und ließ sie auf meinen Turm hieven, auch wenn ich bezweifelte, daß sie den Angreifern mehr Schaden brächte, als sie durch Getöse zu erschrecken. Doch war es auch ein Mittel, Alarm zu schlagen, denn als ich sie probehalber zum einzigen Mal zündete, hörte man den Lärm bis Méré und Gallius und kam gelaufen und fragen, was los sei.
    Giacomi, der zwei Tage, nachdem er mich eskortiert hatte, aus bekanntem Grund still und heimlich nach Paris zurückgekehrt war, hatte Larissa tatsächlich bei den Montcalms wiedergesehen, wo sie ihr Versprechen erneuert hatte, sich den Fängen des Jesuiten so bald als möglich zu entwinden. Ich mochte es indessen nicht recht glauben, schien es mir doch, daß Samarcas einen mehr moralischen als physischen Einfluß auf sie hatte und ihre Seele mehr gefangenhielt als ihren Körper.
    Fünf Monate, nachdem ich Paris verlassen hatte, erreichte mich ein Brief von Madame de La Vasselière, der mich einigermaßen ratlos machte:
     
    Mein Herr Vetter,
    es mutet mich seltsam an, daß Ihr Euch – zu Recht, glaube ich – auf unsere Verwandtschaft beruft und mich gleichzeitig anklagt, Euch zu Mâcon einen Diener erstochen, ein Pferd geraubt und überdies einen Anschlag auf Euer Leben verübt zu haben.
    Dies ist unsinnig, mein Cousin. Ihr müßt durch irgendeine Person getäuscht worden sein, die mir ungehörigerweise ähnlich sah und sich womöglich meines Namens bediente.
    Was mich betrifft, so versichere ich, daß meine Waffen rein weibliche sind: Meine Dolche sind Mienen, meine Arkebuse ist ein Lächeln, durch Äugeln raube ich Herzen und morde durch Blicke. Doch weiß ich auch zu heilen, und merkwürdigigerweise vermittels genau derselben Waffen, durch welche ich soviel Schaden anrichte.
    Mein Cousin, wenn Ihr nicht fürchtet, meiner Artillerie zu erliegen, kommt, sowie Euer Exil beendet ist, und besucht mich im Hôtel de Montpensier, wo ich, bezaubert von der Erwartung, Euch zu sehen, verbleibe als Eure untertänige und sehr ergebene Dienerin
    Jeanne de La Vasselière.
     
    |221| Diesen Brief zeigte ich Angelina lieber nicht, denn sie hätte Tag und Nacht um mich gebangt, hätte sie die Wahrheit erfahren, mangelte es ihr doch wirklich nicht an Sorgen und Nöten, um sechs schöne Kinder satt zu machen und gesund und munter zu erhalten, ohne sie mehr als nötig dem Gesinde anzuvertrauen. Denn es herrscht unter Ammen und Kinderfrauen soviel grober und gefährlicher Aberglauben, daß man stets ein strenges Auge darauf haben muß. Wie leicht verliert ein Kleines Augenlicht, Gehör, Gesundheit oder Leben, weil die Eltern sich allzusehr auf die angebliche Erfahrung und Weisheit dieser Frauen verlassen, die einander doch nur Rezepte oder Geheimmittel aus uralten Zeiten weitersagen, welche dem Lichte der Vernunft in keiner Weise standhalten.
    Ich habe die ältere meiner beiden Töchter Elisabeth getauft in Bewunderung der Standhaftigkeit und Tatkraft der englischen Königin; das folgende Kind, wiederum eine Tochter, Françoise, nach meiner Großmutter mütterlicherseits, die ich sehr liebte; das dritte Kind, meinen ältesten Sohn, Philippe, weil ich selbst gerne so geheißen hätte, meinen zweiten Sohn Pierre, weil er mir vom Tag seiner Geburt an ähnlich sah. Meinen dritten Sohn nannte ich Olivier, denn Olivier ist mir unter den Rittern Karls des Großen der liebste Recke, und meinen vierten Sohn Frédéric, weil Angelina mich ihn so zu nennen bat, denn sie liebte die Konsonanten dieses Namens und las daraus eine große Zukunft.
    Dame Gertrude du Luc hatte meinem Samson zehn Kinder geboren, zwei davon aber früh durch die Blattern verloren, und sie betrübte sich, daß sie nun auf das Alter zuging, in welchem die Natur den Frauen das Gebären verwehrt. Und wirklich, wenn man sie so erblüht und kraftvoll sah, ohne eine Spur von Fettleibigkeit, das Gesicht frisch, rosig und faltenlos, hätte man an der Weisheit der Natur zweifeln können, daß sie die weibliche Fruchtbarkeit so zeitig beendete, während die männliche manchmal bis ins hohe Alter währt, wenn man der Bibel

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