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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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nachdem er sich von uns umzingelt fand.
    »Was soll das?« fragte er verdattert. »Was wollt Ihr von mir, der ich doch nichts von Euch will?«
    »Gemach!« sagte ich und faßte ihn zornig ins Auge, auf daß er in der Furcht vorm Galgen schmore.
    Nicht daß er übrigens so schlimm aussah wie erwartet, wenn auch nicht eben schön mit seinen Pausbacken, seiner zerschlitzten Oberlippe und einem abgeschnittenen Ohr, aber die Augen blickten weniger böse als dumm.
    »Ich bin der Chevalier de Siorac«, sagte ich.
    »Mein edler Herr«, sagte er, »ich hab Euch leider schon erkannt, Ihr wurdet mir nämlich heute morgen gezeigt, als Ihr aus dem Louvre kamt. Aber so eine Niedertracht!« fuhr er fort, »ich erwarte Euch hier vorn, und Ihr taucht von hinten auf?«
    »Niederträchtig bist du!« sagte Miroul, indem er ihm seine Klinge an die Kehle setzte.
    »Mein edler Herr«, sagte der Kerl ohne Wimpernzucken, »besser, Ihr legt mich gleich um, als mich erst dem Profoß vorzuführen. Der foltert mich vorm Hängen, und das kann dauern.«
    »Es braucht keine peinliche Befragung«, sagte ich, »wenn du meine Fragen beantwortest. Wie heißt du?«
    »Nicolas Mérigot, genannt Garde.«
    »Wieso Garde?«
    »Weil ich bei der französischen Garde war, wo man mich rauswarf, weil ich meinen Sergeanten bestohlen hatte.«
    »Und was bist du jetzt?«
    »Schiffer bin ich, auf der Seine. Wir sind fünfhundert, allesamt schwere Jungs.«
    |214| »Was, allesamt?« fragte Giacomi.
    »Das ist bei uns Tradition.«
    »Ist es nicht ein Jammer«, sagte Miroul, »daß man sich bei einer Seinefahrt in die Hände von Kanaillen begeben muß, die nicht Treu noch Glauben haben!«
    »Wieso das?« schrie Mérigot entrüstet. »Keinen Glauben? Wir sind alles gute Katholiken, und die gebenedeite Jungfrau ist unsere Schutzpatronin.«
    »Nun hör sich einer den Götzendiener an!« sagte Miroul auf okzitanisch. Aber Giacomi lächelte, betete doch auch er früh und spät zur Jungfrau Maria und war gleichsam in sie verliebt.
    »Mérigot«, sagte ich, »wer hat dir diesen Mordauftrag erteilt?«
    »Ein Herr, der mich gestern am Quai au Foin aufsuchte, mir eine Flasche spendierte und dreißig Ecus anbot.«
    »Dreißig Silberlinge«, sagte Miroul.
    »Warum gerade du?« fragte ich weiter.
    »Weil ich schießen kann als ehemaliger Gardist. Trotzdem hab ich zuerst abgelehnt.«
    »Warum?«
    »Ich bin Räuber. Mit Blut hab ich nichts zu schaffen.«
    »Und weshalb hast du doch angenommen? Wegen des Gauls?«
    »Der ist nur geborgt. Nach meiner Flucht aus Paris sollte ich ihn in Saint-Cloud an einen Ring hinter der Dorfkirche anbinden, wo mir der Herr das Geld geben wollte.«
    »Oder dich erdolchen, um sich deines Schweigens zu versichern.«
    »Hoho!« sagte Mérigot und riß die Augen auf. »Das doch wohl nicht! Er hat gesagt, daß er Majordomus eines großen Hauses ist und daß sein Gebieter mich aus dem Kerker holen wird, sollte ich geschnappt werden. Ich hab mir gedacht, daß er zu Guise gehören muß, weil er sagte, man muß Euch erledigen, Ihr wärt ein Gefolgsmann von Navarra, dem Höllendiener.«
    »Ha!« sagte ich, »wie hübsch! Und daraufhin warst du bereit zu morden?«
    Ich öffnete mit der Linken mein Wams und zeigte ihm die Marienmedaille, die meine Mutter mir vor ihrem Tode gab und die ich noch heutigentags auf der Brust trage.
    »Man hat dich betrogen, Mérigot. Ich bin gut katholisch, so |215| wie du. Der Mensch ist ein Vetter von mir, mit dem ich einen Erbschaftsprozeß habe. Um den zu gewinnen, will er mich umbringen lassen.«
    Mérigot machte große Augen, er glaubte mir sichtlich aufs Wort.
    »Wie sieht der Mensch aus? Ist er nicht …?«
    »Klein«, sagte Mérigot, »mageres Gesicht, schwarze Augen, eine Narbe an der Unterlippe.«
    »Das ist er!« sagte ich. »Haargenau mein Vetter! Aber ich hatte auch schon sein Pferd erkannt. Mérigot, ist es nicht ein Jammer, daß ein gerissener Betrüger einen ehrbaren Seineschiffer zum Mord anstiftet unter dem Vorwand der Religion?«
    »Es ist Verrat!« sagte Mérigot und ballte die grobschlächtigen Fäuste.
    »Miroul«, sagte ich, »lauf und hole mir von zu Hause Papier und Schreibzeug.«
    »Mein edler Herr«, sagte Mérigot, »was habt Ihr mit mir vor?«
    »Als erstes will ich deine Aussagen schwarz auf weiß festhalten, damit du nicht gefoltert wirst. Dann sehen wir weiter.«
    Und bis Miroul das Gewünschte herbeibrachte, beriet ich auf okzitanisch mit Giacomi, ob wir Mérigot der Gerichtsbarkeit überstellen sollten.

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