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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Stundenbuch herausgelöst war, dann schaute er, den Kopf wiegend, wo sie in seinem kuriosen Wandmosaik kleben sollte, und endlich wies sein Zeigefinger mit dem sehr langen, hochrot gefärbten Nagel dem Pagen den gewählten Platz.
    »Wäre Margot die Tat gelungen«, fuhr er im normalsten Gesprächston fort, während seine Unterlippe merkwürdig bebte, »hätte sie Guise einen großen Gefallen erwiesen.«
    »Sire«, schaltete sich jetzt Chicot ein, der sich solange im Hintergrund gehalten hatte, doch klang seine Stimme nicht witzelnd wie sonst, vielmehr sah er blaß und niedergeschlagen aus und schien seine Narrenrolle so weit vergessen zu haben, daß er den König nicht einmal duzte, »glaubt Ihr, daß Guise sie dazu angestiftet hat?«
    »Wer weiß?« sagte der König. »Für Margot zählt ein Menschenleben nicht mehr als ein Huhn. Sie ist rachsüchtig, und bei ihrem Groll, daß Navarra sie zwei Jahre gemieden hat … Siorac, lies den Brief noch einmal.«
    Ich tat es, und als ich zu dem Satz kam, wo es hieß, der König |235| von Navarra wolle wissen, wie er mit der Königin verfahren solle, er wolle Seine Majestät nicht beleidigen, indem er sie unmenschlich behandle, wolle sie aber auch nicht in Rang und Würden bei sich behalten, legte der König die Schere nieder auf das Stundenbuch.
    »Navarra weiß, was er spricht«, sagte er. »Natürlich wäre ich beleidigt, wenn er Margot schlecht behandelte, egal, was sie getan hat. Am besten«, fuhr er nach kurzem Nachdenken fort, »man gibt ihr eine Stadt, wo Navarra sie von Zeit zu Zeit besuchen und mit ihr Kinder zeugen kann … Aber«, setzte er plötzlich hinzu, »das wird Navarra nicht wollen. Und kann ich es ihm verdenken, da ich selbst ihm die Seitensprünge der Dame gemeldet habe? Ob das gut war, wer weiß …«
    Ich staunte, daß Heinrich in meiner Gegenwart Familienangelegenheiten erörterte, aber Könige gehören nun einmal sosehr dem Reich, daß ihnen nichts Privates bleibt. Trotzdem, glaube ich, hätte Heinrich, wäre er ganz auf der Höhe gewesen, nicht in jenem versonnenen Ton, als spräche er mit sich selbst, etwas hinzugesetzt, was ich lieber nicht gehört hätte.
    »Ausgenommen Maria von Kleve«, sagte er, indem er wieder die Schere ergriff, »habe ich nie eine Frau geliebt wie Margot, und ich wünschte, sie wäre immer tugendhaft geblieben, außer vielleicht mit mir. Wäre sie es geblieben, wäre ich heute ein anderer Mensch.«
    Nach diesen mehr oder weniger enigmatischen Worten nahm der König seine Bilderstürmerei wieder auf. Du Halde aber, der grenzenlos Ergebene und Vertraute, erlaubte sich schließlich, ihn zu erinnern.
    »Sire, Ihr hattet Monsieur de Siorac wegen einer Angelegenheit rufen lassen, die keinen Aufschub duldet.«
    »Ah, richtig!« sagte der König auf einmal mit klarer und entschiedener Stimme, als hätte Du Halde ihn aus langem Schlummer geweckt. »Siorac, mein Kind, die Gerüchte gegen dich sind verstummt: Vielleicht hat dein Brief an die Vasselière dies bewirkt, vielleicht auch deine angebliche Verbannung. Jedenfalls denke ich, es will dir niemand mehr ans Leben, und du kannst mir hier künftig wieder dienen, insgeheim, versteht sich, denn offiziell bist du bestellt, das Halsleiden des Herzogs von Epernon zu behandeln, das sich seit Januar sehr verschlimmert hat und ihn aller Kraft beraubt. In Wahrheit, mein |236| Kind, sollst du Verbindung zu Mosca aufnehmen und Guises Umtriebe im Pariser Volk erkunden. Versprich ihm ebenso viele Ecus, wie er von den Guisarden erwarten mag.«
    »Aber, Sire«, sagte ich, »hattet Ihr Quéribus nicht von Eurem eigenen Halsleiden gesprochen?«
    »Nein, nein, er wird sich verhört haben. Mein einziges Leiden sitzt hier«, sagte der König und zeigte auf sein Herz. »Der Verrat einiger, die ich liebe, hat mich tief getroffen.«
    Während Du Halde die Kapelle verließ, weil aus dem Vorzimmer Stimmengeräusche zu vernehmen waren, sahen Chicot und ich einander schweigend an und fragten uns, wen der König wohl meine, die Königinmutter – oder Margot – oder den Herzog von Joyeuse, der, obwohl er Heinrich alles verdankte, mehr und mehr zu Guise abschwenkte, wie mir Quéribus in Chêne Rogneux bestätigt hatte. Oder aber alle drei.
    »Sire«, meldete Du Halde, »der Kardinal von Bourbon, den Ihr geladen hattet, ist da.«
    »Führt ihn herein, Du Halde«, sagte der König, plötzlich ein mutwilliges Lächeln auf den Lippen, das auch unsere Gesichter aufhellte.
    Der Kardinal, den Chicot »den großen

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