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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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verfallen wärt! Wahrlich, |228| alles, was sich selbst heilig nennt, ist mit Vorsicht zu genießen: Heilige Kirche, Heiliges Konzil, Heilige Liga, aus der wie der Wurm aus der Frucht die Heilige Inquisition kriechen wird! Himmel, die Inquisition in Paris! Schon jetzt wird genug in meinem Leben geschnüffelt! In Paris drohen mir mehr Schimpf und Hader, als ein Mönch Skrofeln hat! Hieße es Eure freimütige Gastfreundschaft ausnutzen,
mi fili
, wenn ich hier solange bliebe, bis Miroudot für mich und meinen Pagen ein Logis in einem Viertel findet, wo niemand mich kennt, da man mich in meinem bisherigen hängen, vierteilen und verbrennen will?«
    »Verbrennen?« sagte ich.
    »Verbrennt man nicht Schwule und Atheisten?«
    »Kann der König Euch nicht beschützen?«
    »Nicht mehr, leider, seit man den König selber offen als Schwulen verklagt. Ihr müßt wissen,
mi fili
«, fuhr er fort, »mein Schwulsein würde die guten Nachbarn weniger scheren, wäre ich nicht auch noch als ›Politiker‹ verfemt. Ach, es braucht nicht den Spanier in Paris: Die Inquisition ist schon da! In aller Stille listet man die Häuser der ›Politiker‹ auf, um sie sämtlich niederzumetzeln, wenn Guise eines Tages die Hauptstadt einnimmt.«
    »Woher wißt Ihr das, Fogacer?«
    »Ha!« sagte Fogacer, seine diabolischen Brauen wölbend, »ich habe eine feine Nase: Massaker wittere ich schon aus weiter Ferne.«
    Plötzlich schlug Silvio die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
    »Fogacer«, sagte ich, »Ihr könnt mit Silvio hierbleiben, solange Ihr wollt. Aber was soll ich dem König über Euer Ausbleiben sagen?«
    Fogacer antwortete nicht, weil er Silvio am liebsten in die Arme genommen hätte, um ihn zu trösten, es aber in meinem Beisein nicht tun mochte. So wandte er den Kopf ab, damit ich seine Bewegung und seine tränenfeuchten Augen nicht sähe.
    »Was ist denn das?« fragte Angelina, die mit rauschendem Reifrock in die Bibliothek trat, »Silvio weint? Fogacer ist nicht weit davon? Pierre, habt Ihr meine Freunde geärgert?«
    »Bewahre«, sagte ich lächelnd. »Ich bin ja selber ganz betrübt, daß sie morgen nicht mit uns nach Paris zurückkehren können, weil sie ihre Wohnung dort verloren haben.«
    |229| »Sollen sie doch mit zu uns kommen, in die Rue du Champ Fleuri!« rief sie.
    Dabei faßte sie den einen wie den anderen bei der Hand, zog sie an sich, und indem sie die beiden ermunternd stupste, schenkte sie ihnen das schönste Lächeln, wußte sie sich von ihnen doch geliebt und verehrt, besonders von Fogacer, der seit langem derart vernarrt in sie war, daß ich es jedem anderen verübelt hätte.
    »Meine liebe Freundin«, sagte Fogacer, und seine sonst so ironische Stimme stieg auf einmal in kindliche Höhen, »nie hätte ich Euch darum zu bitten gewagt, sosehr es mich dazu auch drängte. Ich fürchtete, Euch lästig zu fallen, aber wenn Ihr es wollt, nehme ich mit Freuden an!«
    »Und ich, Madame«, fragte ich, nachdem die beiden glücklich gegangen waren, ihre Sachen zu packen, »bekomme ich nichts?«
    »Monsieur«, sagte sie mit einem halb zärtlichen, halb neckenden Sprühen in den schönen Rehaugen, »alles zu seiner Zeit, nur nicht jetzt und nicht in der nächsten Stunde, ich habe noch tausend Dinge zu tun, bei denen Ihr mir nicht helfen könnt. Außer …«
    »Außer?« fragte ich.
    »… Ihr würdet unsere Leute anweisen, daß sie mir auf acht Uhr den Zuber mit warmem Badewasser füllen. Ich fühle mich von all dem Gelaufe und Gepacke schmutzig wie Königin Margot, als sie lauthals verkündete, sie habe sich seit einer Woche die Hände nicht gewaschen.«
     
    Von Königin Margot, deren Hochzeit mit dem König von Navarra ich damals mit eigenen Augen gesehen hatte, wußte ich kaum mehr etwas, seit ihr Bruder sie vom Hof verbannt hatte, nachdem sie wegen ihrer Tollheiten von ihrer ganzen Familie so gut wie verstoßen worden war. Nur ihr Ehegemahl hatte sie auf Schloß Nérac zwar mit freundlichen Worten und guter Miene empfangen, aber weder mit Händen noch Mund, noch Glied berührt, damit sie ja nicht vorgeben könne, von ihm schwanger zu sein, da sie es allem Anschein nach von irgendeinem Geliebten war.
    Am Morgen unserer Reise nun, als ich eben zum Aufbruch blasen wollte, den Fuß schon fast im Steigbügel, wurde mir |230| von einem Berittenen ein Brief überbracht, und als ich an der Adresse die schöne, kraftvolle Handschrift meines Vaters erkannte, warf ich Miroul meinen Zügel zu und erbrach das

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