Noch immer schwelt die Glut
Esel« nannte, trat herein, und angesichts seiner Eitelkeit, Dummheit und Taperigkeit mußte einen die Spottlust jucken. Raschen Schrittes, ein Funkeln in den schönen italienischen Augen, eilte der König ihm entgegen, ohne ihm aber die Hand darzubieten noch zu dulden, daß er niederkniete, nein, er schloß ihn in die Arme und überhäufte ihn mit Komplimenten, Schmeicheleien und Liebenswürdigkeiten, als wäre der Kardinal sein geliebter Sohn und Dauphin.
»Mein Cousin«, sagte der König, indem er ihn unterhakte und mit ihm durchs Gemach schritt, schneller, als es dem Prälatenbauch behagte, »wollt Ihr mir in Wahrheit eine Frage beantworten?«
»Sire«, sagte der gute Mann, »wenn ich die wahre Antwort auf Eure Frage weiß, sollt Ihr sie rundheraus hören.«
»Ha, mein Cousin«, sagte der König lachend, »nun seid Ihr gefangen!«
»Gefangen? Wieso gefangen?« sagte der Kardinal und riß die dummen Augen auf.
»Mein Cousin«, sprach der König mit getragener Stimme, |237| »Gott hat mir bis heute keine Nachkommen beschert, und wahrscheinlich muß ich dieser Hoffnung ganz entsagen. Ach, unsicher sind die Dinge der Welt, der Herr kann mich jeden Augenblick abberufen! Dann geht die Krone an das Haus Bourbon über: Sagt mir denn, mein Cousin, seid Ihr nicht gesinnt, wenngleich der jüngeren Linie zugehörig, in dem Fall den Vortritt vor Eurem Neffen, dem König von Navarra, zu beanspruchen und ihm das Reich als Euch zukommend zu bestreiten?«
»Sire! Sire«, stammelte der Kardinal, während seine Gluckenaugen vor Schreck in den Höhlen rollten, »wer würde je mit Eurem Hingang rechnen? Wahrlich, das ist etwas, woran ich niemals gedacht habe«, fuhr er, scheinheilig die Lider senkend, fort, »immer bitte ich Gott aus ganzem Herzen, daß er uns vor diesem großen Unglück bewahre. Und da ich doppelt so alt bin wie Ihr, glaube ich, daß die Zähne mir längst nicht mehr weh tun werden, wenn der Herr Eure Majestät einst zu sich nimmt … Aber daß Ihr vor mir scheiden könntet, nein, das denke ich wahrlich nicht.« Und seine Augen rutschten hierhin und dorthin, als suchte er ein Mauseloch, sich darin zu verbergen. »Nein, nein«, setzte er schrill hinzu, »das denke ich nicht, das wäre ja gegen allen Verstand und alle Wahrscheinlichkeit und gegen die natürliche Ordnung, nach welcher die Alten den Jungen vorangehen ins Grab.«
»Sehen wir nicht tagtäglich, mein Cousin«, sagte der König in ernstem Ton, aber ein Blitzen in den Augen, »wie die natürliche Ordnung sich verkehrt und Junge vor den Alten den Weg des Styx wandeln? Wenn dies also auch mir geschähe, sagt, mein Cousin, sagt mir frei, wie Ihr es verspracht, ob Ihr dann Eurem Neffen, dem König von Navarra, nicht meine Nachfolge streitig machen würdet?«
»Ach, Sire!« wimmerte der Kardinal, der einen schüchternen Versuch machte, seinen Arm aus dem des Königs zu lösen und den Geschwindschritt Seiner Majestät zu verlangsamen, »ach, Sire! Ihr bedrängt mich sehr!«
»Nun, einmal, Herr Kardinal«, sagte der König, »werdet Ihr mir die volle Wahrheit doch bekennen müssen, Ihr schuldet es Eurem heiligen Stand.«
»Sicherlich«, sagte der Kardinal und schnaufte vom schnellen Lauf. »Alsdann, Sire, da Ihr es mir so dringend befehlt, obwohl das große Unglück, welches Ihr berieft, mir niemals in den Sinn |238| kam, weil es dem Gang der Natur so ferne ist, gleichwohl«, setzte er, die Lider senkend, hinzu, »sollte dieses große Unglück geschehen, für welches ich niemals genug Tränen und Betrübnis hätte, so meine ich allerdings, Sire, daß in dem Falle das Reich mir als dem guten Katholiken zukommen müsse und nicht meinem Neffen Navarra, welcher Hugenotte ist, und ich würde ihm dann sehr entschlossen entgegentreten.«
Hier beendete der König das unnachgiebige Hin und Her durch den Raum, führte den Kardinal zur Tür und entließ ihn aus seinem Arm.
»Mein lieber Freund«, sagte er, indem er ihn lächelnd anblickte, »Paris würde Euch die Krone vielleicht geben, aber nicht das Parlament.«
Hierauf wandte er sich an Du Halde.
»Du Halde«, sagte er, »begleitet den Herrn Kardinal von Bourbon hinaus, mit allen Ehren, die seiner Person, seinem Stand und seinem Ehrgeiz gebühren.«
»Ha, Henricus! Da hast du dem großen Esel ja die Würmer aus der Nase gezogen!« sagte Chicot, nachdem der Kardinal verschwunden war.
»Würmer oder Schlangen!« sagte der König.
»Glaubst du wirklich«, fuhr Chicot fort, »das Parlament würde es wagen, dem
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