Noch immer schwelt die Glut
Kardinal das Zepter zu verweigern, wenn Guise den Herren das Messer an die Kehle setzt? Soweit ich weiß, sind sie nicht von dem Stoff, aus dem man Helden macht.«
»Sicher nicht«, sagte Heinrich. »Aber geschähe das, wäre es ein offener Verstoß gegen die Regeln der monarchischen Thronfolge, die Legitimität des Königs wäre jederzeit anfechtbar, und der Staat würde in seinen Grundfesten erschüttert.«
»Gewalt«, sagte Chicot, »ist eine große Macht.«
»Nein!« sagte der König, »es ist eine schwache Macht, weil sie sich nur aus sich selbst fortzeugt. Ich meine, durch Bürgerkriege, denn eine Usurpation ruft die nächste hervor. Chicot, höre mein Evangelium: Die durch die Gesetze der monarchischen Erbfolge gesicherte Legitimität ist die einzige friedliche Grundlage der Macht. Wenn ich nicht die Hand drauf hielte, wimmelte es hier bald von Kronprätendenten: Kardinal von Bourbon, Marquis von Pont-à-Mousson, Graf von Soissons und wer weiß noch!«
|239| »Wie, Sire, der Graf auch?« fragte Du Halde.
»Der Graf denkt daran. Und warum nicht? Auch er ist Bourbone, guter Katholik, und, wie ich höre, versucht er seine Anrechte durch die Vermählung mit Navarras Schwester zu bekräftigen. Wozu er einen guten Magen braucht, die Dame ist häßlicher als die sieben Todsünden.«
Am nächsten Tag beauftragte ich Miroul, zu Nicolas Poulain, genannt Mosca, zu gehen und ihn gegen Abend in mein Haus zu bitten. Du kannst dir denken, Leser, daß mein Miroul zunächst einwandte, er sei weder mein Botenjunge noch mein Hausdiener, sondern mein Sekretär, folglich sei diese Bestellung unter seinem Stand. Und weil ich wußte, daß Miroul, was immer ich von ihm verlangte, unvermeidlich erst einmal nein sagte (wor auf er es dann doch machte), kehrte ich ihm den Rücken.
»Das ist keine Bestellung, das ist eine Mission«, sagte ich knapp, »und eine sehr wichtige. Aber, wenn du nicht willst, gehe ich selbst. Es ist eilig.«
Doch im Davongehen schielte ich aus dem Augenwinkel nach ihm und sah, wie er sich rasch sein Cape umwarf, seinen Hut aufstülpte und sich vergewisserte, daß seine Messer in seinen Stiefeln steckten.
Nicht gegen Abend, nein, erst in tiefster Dunkelheit klopfte Mosca an meine Tür, mit Eskorte und in einen großen Mantel gehüllt, den er gerade so weit aufschlug, daß ich im Laternenschein durchs Guckloch seine füchsische Nase erkannte.
»Tretet ein, Meister Fliege, tretet ein«, sagte ich, »es freut mich, Euch zu sehen.«
Dasselbe hätte er wohl kaum von sich sagen mögen, argwöhnisch spähte er mir und Miroul aus schrägen Augen ins Gesicht, hockte sich nur halb auf den Schemel, den Miroul ihm hinschob, und wirkte schon gar nicht glücklicher, als Giacomi bewaffnet mein kleines Kabinett mit dem vergitterten Fenster betrat, so zutunlich und aufmunternd wir drei auch lächelten.
»Meister Mosca«, sagte ich, »schön, daß Ihr meiner Einladung gefolgt seid. Und weil ich weiß, daß Eure Zeit ebenso kostbar ist wie meine, komme ich ohne Umschweife zur Sache.«
Der Fuchs hörte meine Rede mit so angespannten Muskeln und Nerven, und seine Augen verrieten eine solche Unruhe, daß ich beschloß, ihn gleich festzunageln.
|240| »Mosca«, sagte ich rauh, »der König weiß von den Umtrieben gegen ihn in seiner Hauptstadt. Er weiß auch, daß Ihr daran beteiligt seid, und befiehlt Euch, sie sämtlich aufzudecken. Ihr habt die Wahl, Meister Mosca. Redet Ihr: Leben und Lohn. Schweigt Ihr: den Strick.«
Ein Leutnant der Stadtvogtei, der fast täglich arme Teufel für geringen Raub nach Montfaucon zum Hängen führt, ist so daran gewöhnt, daß die Schlinge sich um den Hals von anderen schließt, daß er sich nie an deren Stelle versetzt, zumal er aus Erfahrung weiß, was für Grimassen man am Galgen schneidet, wie einem die Zunge aus dem Halse hängt und die Füße unbequem im Freien tanzen.
Dem guten Mosca wurde bei meinen Worten schwach, er schnappte nach Luft, und als er endlich zu Atem kam, warf er mir einen unglaublich scheelen Blick zu, dann senkte er fromm die Lider.
»Monsieur le Chevalier«, sagte er, »nicht das Versprechen von Leben und Lohn öffnet mir den Mund, sondern mein Gewissen, welches das ganze letzte Vierteljahr schon laut geschrien hat wegen dieser böswilligen und verdammenswerten Unternehmung, in welche ich wider Willen verwickelt wurde. Denn es ist nicht zu fassen, wieviel Blutvergießen das mit sich bringen wird und wieviel Plünderung und Mord hier in Paris, doch
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