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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Siegel.
     
    Mein Herr Sohn,
    ich sende diesen Brief nach Eurem Gut Le Chêne Rogneux und eine Kopie desselben nach Eurem Haus im Champ Fleuri, damit ich sicher sein kann, daß Ihr eins von beidem erhaltet, weil die Nachricht, die ich Euch vermelde, von großer Wichtigkeit ist, nicht für Euch, aber für den König, dem Ihr sie zur Stunde mitteilen sollt oder, wenn Ihr in Chêne Rogneux seid, noch am selben Tag: So will es der König von Navarra, welcher – und dies ist die angekündigte Nachricht – soeben einem Giftattentat auf sein Leben entgangen ist, verübt von einem seiner Sekretäre namens Ferraud, dem Henris Frau das Gift gegeben hatte. Besagter Ferraud gestand und bekräftigte unter der Folter, er habe auf Rat und Befehl der Herrin gehandelt, weil diese zornig war, daß ihr Mann sich ihr nicht hatte nähern wollen.
    Da die Kälte und Vernachlässigung des Königs von Navarra hinsichtlich der Königin seit dem August 1583 andauert (in folge der Gerüchte einer Fehlgeburt, welche sie am Hof ihres königlichen Bruders gehabt, nachdem sie fünfzehn Monate von ihrem Gemahl getrennt gelebt hatte), so heißt es hier auch, das Attentat könnte weniger vom Zorn und Groll der Königin veranlaßt worden sein als vielmehr von ihrer Hoffnung, sich wieder gut mit Guise zu stellen, in den sie bekanntlich vor ihrer Heirat verliebt war – vielleicht sogar auf Veranlassung besagten Guises.
    Der König von Navarra möchte von seinem Cousin und sehr geliebten Gebieter, dem König von Frankreich, wissen, was er nach dem Willen Seiner Majestät mit der Königin machen soll, da er Ihre Majestät doch nicht durch unmenschliche Behandlung kränken, sie aber auch nicht weiter in Rang und Würden belassen möchte.
    Da es auch sein kann, daß dieser Mordanschlag Teil eines größeren Plans gegen verschiedene Fürsten der Christenheit ist – wie man an dem unseligen Mord des Fürsten von Oranien gesehen hat –, so fleht der König von Navarra seinen Cousin und sehr geliebten Gebieter an, über seine eigene Sicherheit |231| und sein Leben zu wachen, und betet zum Himmel, ihn in seinem heiligen Schutz zu erhalten.
    Mein Herr Sohn, ich bin gesund und munter, dies wünsche ich auch Euch sowie Eurer Frau Gemahlin und Euren Kindern.
    Jean
     
    Der Tag neigte sich, als wir in Paris anlangten, und noch gestiefelt und staubbedeckt, wie ich war, eilte ich zum Louvre, wo Alphonse d’Ornano, der am Schalter saß, mich aufforderte, ihm Degen und Dolch zu übergeben, weil der Herzog von Epernon, seit einem Monat Generaloberst der französischen Infanterie, verfügt hatte, daß niemand den Louvre in Waffen betreten dürfe, eine Maßnahme, die ich diesen wirren Zeiten sehr angemessen fand. Doch als ich nun die große Treppe hinauflief zum Gemach des Königs, wo er zu dieser späten Stunde sicherlich schon war, und im Vorzimmer Du Halde antraf, dem ich sagte, der König verlange schleunigst nach mir, und Du Halde erwiderte, er gehe Seine Majestät fragen, ob er mich empfangen wolle, und ich, in meiner Ungeduld und den Kopf voll von dem Giftanschlag auf Navarra, den ich dem König mitteilen wollte, ihm durch die halboffene Tür folgte, wurde ich plötzlich von starken Armen gepackt, niedergeworfen und von vorn, von hinten und von den Seiten durch weiß ich wie viele Dolche bedroht.
    »He, Monsieur!« herrschte mich ein riesiger, schwarzbärtiger Edelmann mit schrecklicher Stimme und starkem Gascogner Akzent an, »tritt man einfach so beim König ein? Wer seid Ihr, und wo glaubt Ihr zu sein?«
    »Monsieur«, versetzte ich, weiß vor Wut, »wer seid Ihr? Und was ist das für eine Art, mich so zu überrumpeln und einen unbewaffneten Mann mit blanken Klingen zu bedrohen?«
    »Ich bin Laugnac de Montpezat«, sagte der Edelmann, »Hauptmann der ›Fünfundvierzig‹, wovon Ihr nur fünf seht, die Euch aber trotzdem jetzt durchsuchen, ob Ihr tatsächlich so unbewaffnet seid, wie angegeben.«
    »Monsieur, das geht zu weit!« schrie ich, doch vergebens, denn zwei dieser Spadaccini, stinkend nach Knoblauch und Schweiß, hielten mich fest an den Beinen, zwei an den Armen, und der fünfte tastete mit hurtigen Fingern jede Daumenbreite meines Wamses und meiner Hosen ab.
    |232| »Monsieur«, sagte ich entrüstet, »ich bin der Chevalier de Siorac, königlicher Arzt!«
    »Kann sein«, sagte Laugnac hochnäsig, »aber ich kenne Euch nicht und habe Euch das letzte halbe Jahr hier nicht gesehen.«
    »Ich war auf meinem Gut.«
    »Verbannt, was?« fragte Laugnac, die

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