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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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gefangenzunehmen und, wie ich wünschte, Seiner Majestät auszuliefern.«
    Daran fehlte allerdings nicht viel, denn das Fußvolk des Herzogs von Aumale, schon gelüstig, die Stadt in den Sack zu hauen, Mädchen und Frauen zu schänden und Riesenbeute zu machen, sah sich plötzlich dem unbarmherzigen Feuer sowohl der Kanone als auch der Arkebusiere diesseits wie jenseits des Wäldchens ausgesetzt. Worauf Le Pierres Kavallerie aus dem Wäldchen brach, auf den Herzog zuhielt und ihn umzingelte, doch wegen zu geringer Anzahl nicht verhindern konnte, daß das Gros seiner Berittenen ihn befreite und schmählich mit ihm floh, während die Fußsoldaten auseinanderstoben und ebensoschnell davonliefen, wie sie gekommen waren.
    Leser, du kannst dir vorstellen, mit welcher Freude, welcher Begeisterung und wieviel Wein der schöne Streich gefeiert wurde! Und was für endlose Geschichten die Soldaten davon erzählten! Obwohl das jäh eröffnete Feuer den herzoglichen Truppen nur wenig Schaden zugefügt hatte, gefallen oder verwundet waren, Gott sei Dank, nur an die zwanzig dieser armen Teufel, die ja Franzosen waren wie wir, aber leider von Guise und der angeblich heiligen Liga irregeleitete, die man in den Dienst des spanischen Königs gestellt hatte, ohne daß sie es überhaupt wußten.
    Doch so kurz und wenig verlustreich der Kampf auch war, dünkten mich die Dispositionen Hauptmann Le Pierres so gut bedacht und seine Entschlossenheit so unerschütterlich, daß ich ihm gelobte, dem König den günstigsten Bericht davon zu geben, wonach er sich der immerwährenden Gunst Seiner Majestät gewiß sein könne. Und als wir an jenem Abend in seinem Hause feierten, in Gesellschaft seiner liebenswürdigen Gemahlin Henriette und der angeblichen meinen, brachte er einen Toast auf mich aus, und als erster nahm er einen guten Schluck aus dem Becher, dann Alizon, dann Henriette, das übrige trank ich. Nun brachte ich einen Toast auf ihn aus, darauf wieder er einen auf Alizon, dann ich einen auf Dame Henriette, und er wieder auf den König und ich auf die gute Stadt Boulogne. Nun er einen zum Spott auf den Vogt Vétus. Nun ich einen zum Jux auf den Herzog von Aumale, er auf Guise, ich auf die Jesuiten, welche die schmutzige Sache eingefädelt |258| hatten, die zum Glück fehlgeschlagen war, kurz: Um Mitternacht gingen wir höchst vergnügt und auf ziemlich wackeligen Beinen auseinander, wenigstens er und ich, denn die Damen hatten nur genippt, wo wir kräftig gebechert hatten, so daß Alizon mir helfen mußte, heim zum »Goldenen Schiff« und die Wendeltreppe hinauf zu schwanken, und als ich quasi besinnungslos auf mein Bett sank, zog sie mich aus.
    Als ich mich am nächsten Morgen der Dinge entsann, war ich sehr beschämt, mich zum ersten und, wolle Gott, zum letzten Mal im Leben dermaßen betrunken zu haben. Da sah ich meine kleine Feuerfliege mit so seltsam verschmitzter Miene lächeln, und als ich sie nach dem Grund fragte, erfuhr ich, daß ich sie in der Nacht ausgiebig beglückt hatte, und ich war sprachlos und vor Scham wie erschlagen.
    Alizon, das muß ich sagen, wußte mich liebreich über meine Schmach hinwegzutrösten, und so blieb es nicht bei dem einen Mal.
     
    Nachdem ich die vorliegenden Seiten über das Abenteuer von Boulogne geschrieben hatte und dies gegenüber meinem teuren und unwandelbaren Freund, Pierre de l’Etoile, erwähnte, wurde er neugierig und bat, sie lesen zu dürfen. Ich geriet in Verlegenheit, wußte ich doch, daß der strenge Moralist die Nase rümpfen würde über die Schwäche, die ich hier soeben bekannte. L’Etoile jedoch gab mir die Seiten zurück, ohne hieran auch nur mit einem Wort zu rühren. Dafür bemerkte er, was mich ein wenig traf, meine Erinnerungen an jene Affäre von Boulogne müßten im Lauf der Jahre durcheinandergeraten sein, denn er glaube, sie habe sich einige Monate später zugetragen. Da er in jenen wirren Jahren Tagebuch geführt hatte, schlugen wir darin gemeinsam nach. Es zeigte sich, daß er das Attentat der Liga auf Boulogne gar nicht festgehalten hatte, dafür aber fand sich unter dem Datum des 20. März 1587 ein Absatz, der das traurige Ende des Hauptmanns Le Pierre betraf, der die Stadt Boulogne so loyal verteidigt und seinem König bewahrt hatte.
    Bedrückten Herzens kopiere ich jene Zeilen, so entrüstet mich noch nach so vielen Jahren der feige Meuchelmord: »Zu dieser Zeit ließ der Herzog von Aumale den Hauptmann Le Pierre, einen sehr tapferen Soldaten, ermorden, weil er

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