Noch immer schwelt die Glut
schickte ich einen Boten zum Haus des Gouverneurs, um Madame de Bernay zu vermelden, daß wir uns hochgeehrt fühlen würden, wenn wir ihr als erster von allen Damen der Stadt die Pariser Putzmachereien zeigen dürften, die wir unter großen Gefahren hierhergebracht hätten, sie möge uns nur den Tag nennen, und wir wären sogleich zur Stelle.
Das Wort »Pariser Putzmachereien« schien ein Sesam-öffnedich zu sein, denn keine zwei Stunden später ließ Madame de Bernay uns von einem Lakaien ausrichten, daß sie uns um Punkt zehn Uhr erwarte. Wir fuhren mit der Kutsche hin, die voll beladen war mit unseren Wunderdingen und die wir im Hof des Gouverneurspalastes, bewacht von zwei Dienern, abstellten. Leise erinnerte mich Alizon, daß es eine große Beleidigung wäre, wenn ein Händler sich vermäße, eine hohe Dame anzusehen wie eine andere begehrenswerte Frau, daß meine Blicke in Gegenwart von Madame de Bernay also gänzlich erlöschen müßten, gerade weil besagte Dame in dem Ruf von Jugend und Schönheit stand.
Und diese Schönheit verhehlte sich nicht, denn Madame de Bernay empfing uns beiläufig während ihrer Toilette, nur halb bekleidet, die eine Zofe hielt ihr den Spiegel, die zweite schminkte sie, die dritte steckte ihr die Haare auf, und meine Alizon schien etwas verärgert, mich solcher Intimität ausgesetzt zu sehen, zumal die Dame einem Putzmachermeister so wenig Beachtung schenkte wie dem Schemel, auf den sie ihre nackten Füße setzte. Alizon schnurrte ihre Komplimente ab und führte ihre Waren vor, und mir blieb die Muße, durch verstohlene Blicke festzustellen, daß die Dame ihren Ruf noch übertraf, denn ihr Leib war zugleich schlank und wohlgerundet, und sie hatte eines dieser Engelsgesichter, die zwar lügen können, aber darum nicht weniger anziehend sind, leuchtend blaue Augen, ein liebliches Lächeln und schimmernde blonde Haare um den hübschen Kopf.
Sei es nun, daß Madame de Bernay die Waren, die Alizon ihr mit aller Kunst präsentierte, ausnehmend gefielen, sei es, daß sie den adligen Damen von Boulogne nichts übriglassen |252| wollte, sei es auch, daß sie mit dem Geld ihres Mannes nicht sparte, jedenfalls hätte sie am liebsten wohl alles gekauft, wäre der Gemahl nicht erschienen und hätte sie, ihr beide Hände küssend, nach den Preisen gefragt. Er fand sie sehr hoch und dämmte die Talerflut entsprechend ein, worauf er sagte, ich solle ihm in sein Kabinett folgen, er wolle mich gleich bezahlen.
Wie freute mich diese Wendung, und sowie die Tür hinter uns geschlossen und die Summe in meinem Beutel war, eröffnete ich mich Monsieur de Bernay.
»Monseigneur«, sagte ich, »damit ist es nicht getan. Ich habe Euch einen Brief des Königs zu übergeben.«
»Des Königs?« sagte Monsieur de Bernay, indem er mit seinen dicken Fingern den Brief ergriff, den ich aus meinem Wams gezogen hatte, und das Siegel zuerst mit bloßem Auge prüfte, dann mit einer Lupe. »Es ist in der Tat das königliche Petschaft«, sagte er. »Wer seid Ihr, Monsieur?« fragte er, indem er mich neugierig betrachtete. »Warum kommt dieses Sendschreiben nicht auf dem gewöhnlichen Weg?«
»Weil die Nachrichten, die es enthält, dies auch nicht sind«, sagte ich, ohne seine erste Frage zu beantworten.
Was Monsieur de Bernay sehr wohl verstand, gehörte er doch zu jenen dicken Männern, deren feiner Sinn einen im näheren Umgang überrascht. Nach einem letzten forschenden Blick erbrach er das Siegel, las den Brief, seufzte und las noch einmal, während ich ihn genauso neugierig betrachtete wie er vorher mich.
Daß der Gouverneur von Boulogne so schön gewesen wäre wie seine Gemahlin, konnte man wahrlich nicht behaupten, er war rundum beleibt, das Gesicht voll und weich, und seine Lider waren in so viele Fältchen gebettet, daß den Augäpfeln gerade nur ein schmaler Spalt blieb. Diese nun verrieten beim Lesen Unbehagen und Verdruß, so als bedaure Monsieur de Bernay, dem seine Ruhe und seine Zukunft am Herzen lagen, daß er gezwungen wurde, zwischen dem König und der Heiligen Liga zu wählen. Um wieviel angenehmer war seine bisherige Unentschiedenheit gewesen, in der er sich mit keiner der beiden Parteien hatte verfeinden und sein Gouverneursamt nicht hatte aufs Spiel setzen müssen für den Fall, daß eine die Oberhand gewann.
|253| Auch nach der zweiten Lektüre sprach Monsieur de Bernay kein Wort, er seufzte nur, stellte sich, mir den Rücken kehrend, ans Fenster und trommelte nachdenklich mit den
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