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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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den Anschlag |259| auf Boulogne verhindert hatte, durch welchen besagter Herzog und die Liga sich der Stadt hatten bemächtigen wollen. Der König war darüber äußerst ungehalten, täuschte jedoch vor, sowenig Talent er dazu auch hatte, zu glauben, was der Herzog von Aumale und die Liga ihm dazu erklärten, nämlich daß es wegen eines Streits geschehen sei, obwohl der König vom Gegenteil gut unterrichtet war und wußte, daß man den Mann für den guten Dienst, den er ihm erwiesen, gemeuchelt hatte. Dem Herzog von Epernon, der sich damit nicht abfinden und den Herzog von Aumale zum Kampf fordern wollte, wenn der König es ihm nur erlaubte, befahl Seine Majestät, nicht weiter darauf zu dringen, sondern abzuwarten, bis sie all diesen ligistischen Herausforderungen ein für allemal ein Ende setzen würden.«
    Schöne Leserin, Sie sehen, dies ist kein Märchen, in dem die Bösen bestraft und die Guten belohnt werden, im Gegenteil, denn was Boulogne angeht, ging die Geschichte so ungerecht wie möglich aus: Der Vogt Vétus, Verräter an seinem König, den Hauptmann Le Pierre zu Boulogne eingekerkert hatte, kam gute vier Monate später als einer jener Gefangenen frei, die der König und der Herzog von Guise nach dem Vertrag von Nemours austauschten, durch welchen Seine Majestät sich mit seinem mächtigen Vasallen auszusöhnen vorgab und ihm zum Schein alles auslieferte. Aus dem Kerker befreit, war besagter Vétus so schamlos, nach Paris zurückzukehren. Als ich dies erfuhr und Nicolas Poulain fragte, was weiter aus ihm wurde, strich sich dieser mit füchsischem Lächeln den falben Schnurrbart.
    »Er wurde aufs beste empfangen von den Herren der Heiligen Liga, welche mir befahlen, ihn in alle vornehmen Häuser einzuführen.«
    »Dir, Meister Fliege! Dir, der ihn dem König verraten hatte!«
    »Jawohl, mir! Was mich in der Tat recht pikant anmutete«, sagte Mosca, indem er seine kleinen gelben Zähne bleckte, »und so gelangten wir denn zusammen in die ehrenwertesten Häuser der Liga, wo Vétus hochwillkommen war und sehr gefeiert wurde. Acht Tage brauchten wir, um diese ruhmreichen Besuche zu absolvieren.«
    Mir war eher nach Weinen zumute, als mit diesem Mosca |260| oder Leo oder Poulain zu lachen, diesem Mann mit den zwei oder drei Gesichtern, ohne Glauben, ohne Seele, nur auf Geld und Fortkommen bedacht, der sich so groß dabei fühlte, einen Fuß in jedem Lager zu haben, und sich schmeichelte, gut dazustehen beim künftigen Sieger, wer immer es sei. Und welchen Ehrenmann hätte nicht die Trübsal befallen über das unselige Ende des Hauptmanns Le Pierre und diesen Triumph des Vogtes Vétus, und darüber, wie verkehrt es zuging in unseren wirren Zeiten, wo der loyale Untertan des Königs unter die Räder kam und der Abtrünnige obenauf war?
    Nach Paris zurückgekehrt, warf ich bei Alizon die Haut des Putzmachermeisters ab, fuhr in meine eigenen Kleider, und als ich noch meinen Degen gürtete, wurde ich auch innerlich wieder zum Edelmann. Alizon sah es mit süßsaurem Gesicht und Tränen am Wimpernrand.
    »Nun seid Ihr wieder ganz Herr und ganz Hofmann«, sagte sie, »noch bevor Ihr meine Wohnung verlaßt! Nichts anderes mehr im Sinn, als meine Lektionen in Bürgersein und Putzmacherei zu vergessen, vor allem aber all das Schöne, was uns von Boulogne bis Paris verband!«
    Die Tränen rollten ihr über die Wangen, und bewegt von ihrer Traurigkeit, nahm ich sie in die Arme, drückte sie an mich und küßte ihr hübsches Gesicht. Sie solle mich nicht Ihr und Euch nennen, bat ich sie, ich bliebe auf immer ihr guter Freund, ich würde sie von Zeit zu Zeit besuchen, und nie würde ich ihr vergessen, daß sie mir zweimal das Leben gerettet hatte, und ich hätte sie ebenso lieb wie sie mich.
    »Ho! Wenn das wahr wäre!« rief sie. »Aber, es ist nett von dir, Pierre, daß du das sagst, ich höre es so gern. Bestimmt drückt dich dein hugenottisches Gewissen noch, daß du deine Rolle zu gut mit mir gespielt hast. Wirst du mich deshalb auch nicht hassen? Ach, Pierre, Pierre!« fuhr sie aufschluchzend fort, indem sie mich umhalste, »können wir nie mehr zurück nach Boulogne?«
     
    Zu Hause fand ich Angelina nicht vor. Sie besuche meine Schwester Catherine, sagte Miroul, der mich etwas frostig empfing, weil ich ihn nicht mitgenommen hatte nach Boulogne, denn guisardische Spione hätten ihn trotz Verkleidung leicht an seinen verschiedenfarbigen Augen erkennen können. |261| Ich lief treppauf, meine schönen Kinder zu umarmen,

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